Sprachgeschichte(n)

Schmiere ist kein Fett

Har, har: Hier wird Schildwacht gestanden. Foto: imago

Schmiere stehen: Juristisch handelt es sich mindestens um Beihilfe, wenn ein Krimineller Ausschau nach Polizisten oder anderen störenden Elementen hält, während seine Kollegen ihr Delikt begehen. In Carl Zuckmayers Hauptmann von Köpenick (1931) etwa schlägt Paul Kallenberg, genannt Kalle, Wilhelm Voigt vor: »Heit ahmd – da jehn wa int Café Dalles. Da wern wa schon ’n Boss finden, der kesse Jungens braucht, und wenn’s forne Schmiere is.«

Duden online wertet den Ausdruck »Schmiere stehen«, der sich auch im Grimm’schen Wörterbuch von 1896 findet, als »salopp«. Die bei Friedrich Kluge (Rotwelsch, 1901) als »Schildwacht stehen beim Stehlen« erklärte Phrase hat aber nichts mit Fett zu tun. Sie geht zurück auf das hebräische »schemira« (Bewachung), wie wir es etwa in Psalm 121,4 finden: »Siehe, nicht schlummert noch schläft der Hüter Israels.« Über das Jiddische – wie in »schmiro« (Aufpasser) – gelangte das Lexem in die Gaunersprache, in der es laut Kluge seit 1714 auftaucht: »Ihr stehet wohl auf der Schmehre, denn also hätten sie die Wache geheißen.«

Winkelkneipen Andere Wendungen sind »betuch Schmier« (verdeckter Wachtposten), »verschmieren« (mit Wache besetzen) und »Schmiere halten«. Letzteren Ausdruck nennt Carl Falkenberg in seinem Versuch einer Darstellung der verschiedenen Classen von Räubern, Dieben und Diebeshehlern (1816). Agathe Lasch erläutert in der Berlinischen Sprachgeschichte (1928): »Das Rotwelsche ist aus sehr verschiedenen Elementen aufgebaut, einen sehr starken Anteil hat das Hebräische, waren doch die Winkelkneipen, in denen man sich traf, vielfach in jüdischen Händen, daher z.B. Schmiere stehen.«

Als Komposita des Wortfelds finden sich bei Siegmund A. Wolf (Wörterbuch des Rotwelschen, 1985) »Schmieresteher«, »Schmiermann« (Nachtwächter), »Schmiermichel« (Kriminalbeamter), »Schmierstein« (Aufpasser) und »Schmiertopf« (Polizeigewahrsam). Bei Josef Karl von Train (Wörterbuch der Gauner- und Diebessprache, 1833) finden sich »Schmierpotz« (Tagwächter) und bei Carl W. Zimmermann (Die Diebe in Berlin, 1847) »Leileschmiere« (Nachtwächter) und »Jomschmiere« (Tagaufseher).

Knast »Schmiere« wird für Verbrecher, für Polizisten und – so Klaus Laubenthals Lexikon der Knastsprache (2001) – für »Angehörige des vollzuglichen Bewachungspersonals« verwendet. Klaus Siewert (Hamburgs Nachtjargon, 2009) nennt vom Rotlichtkiez die Floskeln »von der Schmiere« verhaftet und »zur Schmiere« (zur Vernehmung).

Das Österreichische kennt noch weitere Bedeutungen. Der Soziologe Roland Girtler (Rotwelsch, 1998) nennt den »Schmierer«, den Aufpasser bei verbotenem Glücksspiel. Robert Sedlaczek (Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs, 2011) weiß, dass »jemanden abschmieren« auch observieren bedeuten kann – so wie für den Fußballtrainer Hans Krankl, der eine Elf auf den bissigsten gegnerischen Stürmer mit den Worten einstimmte: »Zu zweit schmierts ihn ab, und wanns ihn ned zu zweit abschmiern könnts, dann miaßts ihn z’dritt abschmiern!«

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  20.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  20.11.2025

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

»Jay Kelly«

In seichten Gewässern

Die neue Netflix-Tragikomödie von Noah Baumbach startet fulminant, verliert sich dann aber in Sentimentalitäten und Klischees

von Patrick Heidmann  20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  20.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. November bis zum 27. November

 20.11.2025