Medizin

Schlauer verhüten

Nebeneffekt der neuen Verhütungsmethode: weniger Plastikmüll Foto: imago

Und wieder ein Viertelkilo mehr – wenn der Zeiger der Waage in regelmäßigen Abständen ein Stückchen weiter nach rechts wandert, muss das nicht unbedingt daran liegen, dass man als neues Hobby das Verschlingen möglichst kalorienhaltiger Nahrungsmittel entdeckt hat. Es reicht, eine Frau zu sein und die Pille zu nehmen. Zwei, drei Kilo Gewichtszunahme gelten als vollkommen normal – dass es sich dabei meist um Wassereinlagerungen und nicht um Körperfett handelt, tröstet nur bedingt über plötzlich unvorteilhaft eng sitzende Lieblingskleidungsstücke hinweg. Ganz zu schweigen von den anderen möglichen Nebenwirkungen der oralen Empfängnisverhütung, die von Akne und Stimmungsschwankungen bis hin zum erhöhten Risiko, an Thrombose oder bestimmten Krebsarten zu erkranken, reichen.

Wenn alles so klappt, wie es sich der israelische Forscher Haim Breitbart erhofft, könnte das Pillenschlucken allerdings bald zur Männersache werden. Der Biochemiker Breitbart von der Bar-Ilan-Universität hatte im Jahr 2006 mit einer bahnbrechenden Entdeckung aufgewartet. Breitbart beschrieb damals, wie sich Spermien im Uterus verhalten. Ein komplizierter, drei Stunden dauernder biochemischer Prozess namens Kapazitation sorgt beispielsweise dafür, dass sie die weibliche Eizelle überhaupt befruchten können.

gezielt Bereits drei Jahre zuvor hatte Breitbart, dessen Spezialgebiet die Erforschung der Unfruchtbarkeit bei Männern ist, festgestellt, dass sich Spermien auf ihrem Weg zum Ei verhielten »wie wärmesuchende Raketen«. Seine bisherigen Erkenntnisse sollen nun dabei helfen, dass Empfängnisverhütung nicht mehr nur Frauensache ist. Breitbart will zwar in Bezug auf Wirkstoffe und Zusammensetzung seiner Erfindung nicht allzusehr ins Detail gehen, erklärt aber immerhin, dass die Pille für den Mann auf Technologien der Bioinformatik und der Mikrobiologie beruhe – und ganz gezielt nur Spermazellen beeinflusst, so dass keinerlei körperliche Beeinträchtigungen zu befürchten seien.

Konkret funktioniert es so, dass die Eiweiß-Synthese unterbrochen wird. »Da die Spermien in der Lage sind, drei oder sogar noch mehr Tage im Uterus zu überleben, war dies unsere Hypothese: Sie müssen ihre Proteine in dieser Zeit erneuern, denn um Energie zu erhalten, brauchen sie neue Proteine«, beschreibt Breitbart, wie er und sein Team auf die Idee zur Männer-Pille kamen. Wenn, so ihre Annahme, der Protein-Nachschub gestoppt wird, dürften die Spermien dann auch nicht mehr in der Lage sein, die weibliche Eizelle zu befruchten.

Mäuse Die »Bright Pill« (»schlaue Pille«), die ihre Bezeichnung einer von Breitbart höchstpersönlich vorgenommenen Verballhornung seines Nachnamens verdankt, erzielte in vorklinischen Tierversuchen gute Ergebnisse. Die Mäuse, an denen die Männerpille zunächst getestet worden war, zeigten keine Anzeichen irgendwelcher Nebenwirkungen, wie Breitbart der israelischen Webseite Israel21c sagte: »Sie verhielten sich sehr nett, sie fraßen, sie hatten Sex und sie hatten gute Laune.«

Dass der Sexualtrieb durch die Bright Pill nicht gestört wird, mache sie zu einer attraktiven Alternative zur nebenwirkungsreichen Pille für die Frau, betont Breitbart. Im Gegensatz zur herkömmlichen Verhütungstablette wird die Männerpille überdies nicht täglich eingenommen werden müssen. Es wird vermutlich reichen, sie, je nach gewünschter Wirkungsdauer, einmal zu nehmen, um vier Wochen oder gleich drei Monate lang zeugungsunfähig zu sein.

gesund Unangenehme Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen und Gewichtszunahme scheinen den Männern nach derzeitigem Erkenntnisstand erspart zu bleiben. Jüdische Männer, die gern ihren Teil zur Familienplanung beitragen wollen, müssten darüber hinaus keine Bedenken haben, dass sie mit der Einnahme der Bright Pill gegen religiöse Vorschriften verstießen. Die permanente Sterilisation ist zwar verboten, aber durch Breitbarts Pille tritt eben nur eine vorübergehende, zeitlich begrenzte Unfruchtbarkeit ein – im Gegensatz zur Vasektomie, der bislang bekannten einzigen anderen Möglichkeit, die Zeugungsfähigkeit zu verhindern. Bei 20 Prozent aller Männer, die die Operation, bei der Samenleiter durchtrennt werden, später rückgängig machen wollen, verläuft der Eingriff nicht erfolgreich, sie bleiben zeugungsunfähig.

Bis die Pille für den Mann auf Rezept erhältlich ist, wird es allerdings noch dauern. Von der Bar-Ilan-Universität wird sie gerade zum Patent angemeldet, Breitbart selber will noch ein weiteres Jahr an seiner Entdeckung arbeiten, bis er sie erstmals auch an Menschen testen wird. Gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Yael Gur bemüht er sich gerade um Investoren, die bereit sind, die zehn Millionen Dollar zu zahlen, die für die nächsten Stufen der klinischen Weiterentwicklung erforderlich sind.

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert