Amsterdam

Scharfe Kritik an Konzertabsagen für »Jerusalem Quartet«

Ist gerade nicht willkommen in Amsterdam: Das Jerusalem Quartet bei einem Konzert in Bad Tölz 2022 Foto: picture alliance / SZ Photo

Die Empörung ist groß: Nachdem das »Concertgebouw« zwei Auftritte des israelischen Streichensembles »Jerusalem Quartet« wegen angekündigter Proteste gegen den Krieg in Gaza abgesagt hatte, haben Hunderte Künstler, darunter Koryphäen der klassischen Musikszene wie Martha Argerich, Evgeny Kissin und Mischa Maisky, in einem offenen Brief die Leitung des renommierten Amsterdamer Konzerthauses aufgefordert, die Entscheidung rückgängig zu machen.

Auch die deutsche Geigerin Anne-Sophie Mutter, der ungarische Dirigent und Pianist András Schiff sowie der israelische Bratschist Pinchas Zuckerman unterschrieben zwischenzeitlich den am Mittwoch lancierten Aufruf.

Die Pianistin Martha Argerich hat die Petition ebenfalls unterschriebenFoto: imago images/Eventpress

Das Streichquartett aus Israel sollte ursprünglich am Donnerstag und am Samstag im Concertgebouw auftreten. »Aufgrund der jüngsten Entwicklungen in und um die Universität Amsterdam sind wir nach sehr intensiven Diskussionen zu dem Entschluss gekommen, die Konzerte nicht stattfinden zu lassen. Wir konnten die Sicherheit von Mitarbeitern, Besuchern und Musikern in unserem Gebäude nicht garantieren. Es tut uns sehr leid für alle Besucher und nicht zuletzt für die Musiker des Jerusalem Quartets«, sagte Generaldirektor Simon Reinik der britischen Zeitung »Jewish Chronicle«.

Man werde nun nach einem neuen Termin für ein Konzert suchen, bei dem die Sicherheit für die rund 2500 Teilnehmer gewährleistet werden könne, so Reinik.

Der Cellist des 1996 gegründeten Jerusalem Quartets, Kyril Zlotnikov, kritisierte die Entscheidung und beschuldigte das Concertgebouw, vor »Terrorismus« zu kapitulieren. Eine am Mittwoch auf der Webseite Change.org lancierte Petition hatten am Donnerstagmittag bereits mehr als 11.000 Menschen unterschrieben.

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Darin heißt es: »Die Bedrohung der Sicherheit von Musikern, Mitarbeitern des Konzertsaals und der Öffentlichkeit steht im Widerspruch zu den hart erkämpften demokratischen Werten und der Meinungsfreiheit und sollte in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.«

Mit der Absage der Konzerte habe die Leitung des Concertgebouw einer lautstarken Minderheit nachgegeben, welche durch Einschüchterungsversuche und Drohungen mit Gewalt auf sich aufmerksam mache.

»Wir brauchen nicht weit in die europäische Geschichte zurückzublicken, um zu sehen, was passiert, wenn Menschen solche Verhaltensweisen dulden«, so der offene Brief weiter, der die Entscheidung des Concertgebouw als »moralische Feigheit« bezeichnete und forderte, »Charakterstärke zu zeigen«.

Studenten protestieren an der Universität Amsterdam gegen IsraelFoto: IMAGO/VWPics

Zu den Unterzeichnern gehören neben der Pianistin Argerich und dem Cellisten Maisky zahlreiche weitere jüdische Künstler. Das 1996 gegründete Jerusalem Quartet ist ein preisgekröntes Kammermusikensemble. Bereits im Februar kam es während eines Konzerts in Den Haag zu Protesten gegen das Streichensemble.

Im Jahr 2010 wurde der Auftritt des Quartetts in der Wigmore Hall in London, der im BBC-Radio übertragen wurde, von Anti-Israel-Demonstranten gestört. Allerdings konnte vergangene Woche an gleicher Stelle ein Konzert des Jerusalem Quartets ohne Unterbrechung stattfinden.

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