Berlin

Roth will Hürden für die Rückgabe von NS-Raubkunst abbauen

Claudia Roth (Grüne) Foto: picture alliance/dpa

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), will bestehende Hürden für die Rückgabe von NS-Raubkunst abbauen.

Anlässlich der Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen der »Beratenden Kommission« versprach sie eine Reform des Gremiums. Roth sagte am Donnerstag in Berlin: »Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht, die wir angesichts unserer Geschichte und den Verbrechen unseres Landes tragen.« Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, forderte ein Restitutionsgesetz.

Als Raubkunst gelten Kulturgüter, die die Nazis beschlagnahmten, und Besitz, zu deren Verkauf NS-Verfolgte gezwungen wurden. Die Opfer des Raubs waren vor allem Juden und als Juden Verfolgte. Das Ausmaß wird auf 600.000 Kunstwerke geschätzt, die zwischen 1933 und 1945 von den Deutschen in Europa gestohlen wurden.

Für ein Restitutionsgesetz hatte sich kürzlich auch Hans-Jürgen Papier ausgesprochen, der früher Präsident des Bundesverfassungsgerichtes war und heute Vorsitzender der Beratenden Kommission ist. In einem epd-Gespräch hatte Papier gesagt, ein solches Gesetz könne regeln, unter welchen Voraussetzungen private Institutionen oder Einzelpersonen
verpflichtet seien, NS-Raubkunst an die Nachkommen der ehemaligen Eigentümer herauszugeben.

Bund, Länder und Kommunen haben die unabhängige Kommission 2003 eingerichtet, um bei Differenzen über die Rückgabe zu vermitteln. Die
entstehen zum Beispiel, wenn Privatpersonen und öffentliche Einrichtungen darüber streiten, wer rechtmäßig Eigentümerin oder Eigentümer des Kunstwerks ist. Voraussetzung für das Tätigwerden der Kommission ist das Einverständnis beider Seiten. Die Kommission kann zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit allerdings nur rechtlich unverbindliche Empfehlungen geben - bisher waren es 23.

In einem von der Kommission kürzlich selbst veröffentlichten Memorandum verwiesen die Mitglieder auf systemische Mängel bei der Durchsetzung von Rückgaben. Als »Haupthemmnis« wird bezeichnet, dass in Konfliktfällen beide Seiten - die Nachfahren beraubter NS-Opfer und die heutigen Kunstbesitzer - die Kommission anrufen müssen, damit diese tätig werden kann.

Roth versprach eine modernere und stärkere Restitutionskommission und nannte drei Kernpunkte. »Wir wollen eine einseitige Anrufung der
Kommission ermöglichen«, sagte sie. »Wir wollen, dass sie frühzeitig befasst werden kann und keine vorangegangenen Einigungsversuche notwendig sind.«

Ferner betonte die Staatsministerin, »wir wollen, dass die Kommission ihrerseits Aufträge zur Provenienzforschung vergeben kann«. Auch die bisherige Handreichung solle überarbeitet und ersetzt werden: »Denn, diese Bemerkung sei erlaubt, sie atmet eher den Geist einer verhindernden Bürokratie als einer ermöglichenden Beratung.«

Schuster sagte beim Festakt am Donnerstag laut Redemanuskript, in der materiellen und immateriellen Aufarbeitung des NS-Unrechts sei in Deutschland bereits viel getan worden. »Ein Restitutionsgesetz wäre ein nächster und wichtiger Schritt«, ergänzte er. Nach seiner Einschätzung braucht es eine eigenständige und paritätisch besetzte Kommission, die nicht mehr allein beratend tätig ist, sondern rechtlich verbindliche Entscheidungen trifft.

Dass Deutschland in dieser Frage hinterherhinke, werfe Fragen auf. »Ein Land, in dem so viel mit dem Label der sogenannten Wiedergutmachung gekennzeichnet wird, darf sich diese Blöße nicht geben«, sagte Schuster. Mit Blick auf den prominenten Streit um ein Picasso-Gemälde in Bayern sagte Schuster, wenn von staatlicher Seite eine Anrufung der Kommission vermieden werde, bleibe nicht viel mehr übrig, als endlich das einseitige Beschwerderecht einzuführen. epd

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025