Sport

»Rote Karte« für Antisemiten im Fußball

Foto: imago/Jan Huebner

Immer wieder tauchen im Umfeld des Profifußballs antisemitische Schmierereien, Aufkleber und Parolen auf. So verbreiteten 2017 einige Dortmunder Fans Aufkleber, auf denen die im KZ Bergen-Belsen ermordete Anne Frank mit dem Trikot des Erzrivalen Schalke 04 abgebildet ist. Spieler werden als »Judas« verunglimpft, wenn sie den Verein wechseln, und auch Schiedsrichter müssen sich bei umstrittenen Entscheidungen antisemitische Beschimpfungen anhören.

PRÄVENTION Jetzt haben der Jüdische Weltkongress (WJC) und die Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten einen Leitfaden für den Umgang mit judenfeindlichen Äußerungen im Fußball vorgestellt. Auf Grundlage von rund 30 Interviews mit Praktikern des organisierten Fußballs in Niedersachsen wurden Handlungsempfehlungen zum Vorgehen gegen Antisemitismus im Fußball entwickelt, teilte der WJC am Mittwoch in einer Pressemitteilung mit. Bislang gebe es wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus nur vereinzelt, erklärte der Weltkongress.

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza begrüßte die Anstrengungen. »Die Handlungsempfehlungen zeigen deutlich, welche Möglichkeiten es im Fußball gibt, sich gegen Antisemitismus zu engagieren. Wer im Sport Judenfeindlichkeit wahrnimmt, der muss dagegen einschreiten. Das gilt für Lieder in der Fankurve genauso wie für dumme Sprüche im Vereinsheim.« Die Stärkung der Prävention, so Havliza, sei ein wichtiges Mittel, um Hetze, Hass, Rassismus und Antisemitismus von vornherein entgegenzuwirken. In ihrem Justizministerium sei vor kurzem eine eigene Organisationseinheit –geschaffen worden, um sich des Problems anzunehmen.

Neben Profi-Vereinen und Faninitiativen wurden auf der Ebene des Breitensports auch Amateurvereine in die Untersuchung einbezogen. Darüber hinaus wurden Experten konsultiert. Menachem Rosensaft, Justiziar und stellvertretender Geschäftsführer des WJC, betonte, man müsse »alles in unserer Macht Stehende tun, um die Welt des Sports von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und allen anderen Formen von Fanatismus zu befreien. Die Handlungsempfehlungen bieten den Rahmen, dieses entscheidende Ziel zu erreichen.”

WISSEN VERMITTELN Die Empfehlungen des Papiers reichen von grundlegenden Voraussetzungen wie der Annahme und Anwendung der internationalen IHRA-Arbeitsdefinition zum Antisemitismus bis hin zu konkreten Vorschlägen zur Recherche der Geschichte von Vereinen und zu den Biografien ehemaliger jüdischer Spieler. Sie orientierten sich, so der WJC, an den Notwendigkeiten vor Ort und Wünschen der Befragten aus der Praxis sowie Erkenntnissen aus der Forschung. Auch der Israel-bezogene Judenhass wird angesprochen.

Elke Gryglewski, Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, sagte, man brauche »das Wissen zu historischen Ereignissen«, um etwas gegen judenfeindliche Tendenzen im Fußball unternehmen zu können. »Mit unseren Handlungsempfehlungen möchten wir diejenigen unterstützen, die begriffen haben, dass manche Äußerungen und Handlungen nicht richtig sind, und ihnen eine Orientierung an die Hand geben«, so Gryglewski.

ZIELGRUPPE Die in dem Kooperationsprojekt entwickelten Handlungsempfehlungen behandeln Antisemitismus nicht nur in Bezug auf die Schoa, sondern verknüpfen ihn mit fußballspezifischen Erscheinungsformen. So soll ein Bezug zum Lebensumfeld der vor allem jüngeren Zielgruppen angestrebt werden.

Das Projekt war vom niedersächsischen Antisemitismusbeauftragten Franz Rainer Enste ausgelobt und das niedersächsische Justizministerium im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie leben! 2020-24« sowie den WJC gefördert worden. »Antisemiten müssen die rote Karte gezeigt bekommen«, forderte Enste. mth

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Juni bis zum 26. Juni

 18.06.2025

Berlin

Erste Ausstellung über den Architekten Ossip Klarwein

Präsentiert werden mehr als 100 Entwürfe und Modelle, darunter ikonische Bauten des 1933 nach Palästina geflohenen jüdischen Architekten

 17.06.2025

Nachruf

Chronist einer ganzen Epoche

Michel Bergmann war ein Schriftsteller, der viele Genres beherrschte

von Ellen Presser  17.06.2025

Los Angeles

Neues Album von Haim: »Manchmal muss man loslassen«

Auf ihrem vierten Album singen die Haim-Schwestern von Trennung, Abschied und Neuanfang. Dabei betritt das Trio mit beinahe jedem Song ein anderes musikalisches Terrain

von Philip Dethlefs  17.06.2025

Diskurs

»Die Erinnerungsrepublik Deutschland ist zu Ende«

Auszüge aus der Heidelberger Hochschulrede des Grünen-Politikers Sergey Lagodinsky

 16.06.2025

Literatur

Michel Bergmann ist tot

Der jüdische Schriftsteller starb im Alter von 80 Jahren

 17.06.2025 Aktualisiert

Taormina Film Fest

Michael Douglas entschuldigt sich für Politik der US-Regierung

Der Darsteller erhält von Iris Knobloch eine Ehrung für sein Lebenswerk. Die Vergabezeremonie in Sizilien nutzt er für Kritik an seinem Land

 16.06.2025

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025