»Allein unter Flüchtlingen«

Rein oder raus?

Entlarvt bei seiner Deutschlandreise AfD-Politiker und Vertreter der »Neuen Rechten«, aber auch komplexgeplagte Gutmenschen: Tuvia Tenenbom Foto: PR

»Allein unter Flüchtlingen«

Rein oder raus?

Tuvia Tenenbom führt mit Frauke Petry, Akif Pirinçci und Lutz Bachmann Gespräche über Flüchtlinge

von Philipp Peyman Engel  21.03.2017 11:16 Uhr

September 2015: Deutschland ist gespalten. Die Flüchtlingskrise entzweit die Bundesrepublik wie kein anderes Thema in den Jahrzehnten zuvor. Die Frage, an der der Streit entbrennt: Ist die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel ein Akt großzügiger Humanität, oder gleicht sie einem Staatsversagen?

In dieser Situation hat sich der Autor Tuvia Tenenbom auf große Deutschlandreise begeben, um für sein neues Buch Allein unter Flüchtlingen eine Art Bestandsaufnahme durchzuführen. Er möchte erfahren, welche Befürchtungen die Flüchtlingskritiker haben und was genau die Befürworter von Merkels Flüchtlingspolitik antreibt.

afd Tenenbom hat sich viel vorgenommen. Er besucht die AfD-Chefin Frauke Petry im sächsischen Landtag, tauscht sich mit Skandalautor Akif Pirinçci aus und schreckt auch nicht davor zurück, mit Pegida-Gründer Lutz Bachmann über Araber zu diskutieren. Neben dem Gesprächsthema Flüchtlinge ist es vor allem ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch Tenenboms Gespräche zieht: Am Anfang geben seine Interviewpartner allesamt Antworten, die weder sonderlich aufschlussreich noch wirklich skandalös sind.

Doch im Verlauf der Unterhaltung werden ihre Antworten immer klarer, was weniger mit ihnen als mit Tenenboms scheinbar naiver Fragetechnik zu tun hat. Was Petry und Co. im Laufe des Gesprächs etwa über Flüchtlinge oder die deutsche Erinnerungspolitik zu Protokoll geben, ist höchst aufschlussreich – und können selbst sie im Nachhinein nur bereut haben.

schuldgefühle Zugleich entlarvt Tenenbom aber auch all jene Gutmenschen, die in einer Mischung aus Paternalismus und Sendungsbewusstsein anhand der Flüchtlinge ihre Komplexe kurieren wollen. Letzteres ist gewissermaßen ein weiteres Leitmotiv in Tenenboms Buch. Er fragt nach, warum Deutschland mehr Flüchtlinge als jedes andere Land in Europa aufgenommen hat. Warum viele Deutsche nur allzu gern vergessen, dass zahlreiche Flüchtlinge die Demokratie ablehnen, dafür aber den politischen Islam und Hass auf Minderheiten befürworten. Die Antwort ist immer dieselbe: aus Schuldgefühlen. Wegen der deutschen Geschichte.

Am Ende seiner großen Deutschlandreise zieht Tenenbom aus der Flüchtlingsdiskussion in Deutschland ein Fazit, das zuvor auch schon Henryk M. Broder gezogen hatte: Wer nur Mitleid empfindet, der hat keinen Verstand. Wer kein Mitleid empfindet, der hat kein Herz.

Tuvia Tenenbom: »Allein unter Flüchtlingen«. Übersetzt von Michael Adrian und Bettina Engels. Suhrkamp, Berlin 2017, 234 S., 13,95 €

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025