Interview

»Rastlos, besessen, kokainsüchtig«

Spielt 1886 in Wien: die Serie »Freud« Foto: Jan Hromadko/SATEL Film Gmbh/Bavaria Fiction Gmbh

Herr Kren, Sigmund Freud haben wir zuletzt auf der Leinwand gesehen in Gestalt von Bruno Ganz im Film »Der Trafikant«. Haben Sie Sich im Vorfeld frühere Freud-Darstellungen in Kino und Film angesehen, um herauszufinden, wie Ihr eigener Freud aussehen sollte?

Ja, allerdings nicht den genannten Film, denn der spielt in den dreißiger Jahren und zeigt den alten Freud, schon aber John Hustons »Freud« und Axel Cortis Fernsehfilm »Der junge Freud«, in denen es wie bei uns um den jungen Freud geht. Dabei fiel uns auf, dass Freud dort der Archetyp eines Intellektuellen ist, sehr zögerlich, ein fast ängstlicher Mensch, der mit in seinen Gedanken in den Büchern lebt. Unsere Figur sollte da eine Spur provokativer sein – das erforderte auch unsere Geschichte, deren Grundkonzept von dem Produzenten Heinrich Ambrosch stammt, der eine Art Crime-Geschichte machen wollte. Unser Freud ist eine kontroverse Figur.

Inwiefern?

Einerseits ausgestattet mit großer Intelligenz und mit der Fähigkeit, jemanden in die Augen zu schauen und darin mehr zu sehen als der Betreffende preisgeben möchte; andererseits ist er auch rastlos überehrgeizig und besessen von dem Wunsch, sich in der Gesellschaft eine Position zu schaffen. Er war ein junger jüdischer Arzt, der nicht mit großen finanziellen Mitteln ausgestattet war. Das, gepaart mit einer extensiven Kokainsucht, ist eine explosive Mischung.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Wie in Roman Polanskis letztem Film »Intrige« spielt auch bei Ihnen der Antisemitismus eine nicht unwichtige Rolle. Würden Sie sagen, das haben Sie im Hinblick auf heutige Verhältnisse etwas zugespitzt ist oder ist das alles belegt?

Das ist durchaus belegt. Juden in Wien um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts hatten tatsächlich keinen leichten Stand, und es ist ebenfalls überliefert, dass Freud des Öfteren angegriffen wurde und sich auch gewehrt hat. Eine Geschichte aus seiner Kindheit diesbezüglich muss ein tiefes Trauma bei ihm hinterlassen haben: Als Kind wurden er und sein Vater auf offener Straße beleidigt und sein Vater hat sich in seiner Erinnerung nicht gewehrt. Das war etwas, was ihn lange beschäftigte.

Wie sahen Ihre Recherchen aus? Die Anzahl der Freud-Biografien ist ja groß …

Den Zeitgeist konnten wir über viele tolle Bücher erfassen, die in Österreich auch zur Schullektüre gehörten: vor allem Stefan Zweig und Arthur Schnitzler. Andererseits muss man auch Freud lesen. Dem alten Freud ging es stark darum, seine Biografie zu kontrollieren, deswegen hat er alle Schriften aus der damaligen Zeit – bis zu dem Moment, wo er wusste, was er wollte – zerstört. Wir erzählen das Jahr 1886, wo Freud auf der Suche nach etwas war, was ganz tief in seinem Kopf schon da war, was er aber erst noch formulieren musste. Von der Hypnose, mit der er sich damals beschäftigte, liest man relativ wenig in den Büchern, weil er die später zugunsten der freien Assoziation abgelegt hat. Aber sie war definitiv eine ganz wichtige Vorstufe in seiner Arbeit. Für mich als Filmemacher war es spannend herauszufinden, wie fühlt sich Hypnose an? Und wie kann ich sie visuell darstellen? Deswegen habe ich mich auch einmal selber hypnotisieren lassen.

Sie haben schon erwähnt, dass die Ausgangsidee mit dem Crime-Element vom Produzenten stammte. Ihre ersten beiden Langfilme »Rammbock« und »Blutgletscher« waren im Bereich des Horrorfilms angesiedelt, Sie sind also Genre-affin. Ist das eine Hilfe, wenn man den Zuschauer mit bestimmten Genremustern an Dinge heranführen kann, oder können Genreregeln manchmal auch eine Last sein?

Benjamin Hessler, mein langjähriger Ko-Autor, und ich lieben arthouse-Filme, die character-driven sind, wo man mit einer Figur mitfiebert, wie etwa Darren Aronofskys »The Wrestler« – Filme, die einen ganz stark an eine Figur binden. Andererseits lebt in uns etwas Kindisches, das den Zuschauer gern erschreckt und weiß, dass das Leben schnell zu Ende gehen kann. Wir machen Genrefilme nicht des Genres wegen, sondern genau aus dieser explosiven Mischung heraus. Bei aller Liebe zum Genre steht nicht im Vordergrund für uns, Genreregeln abzuhaken, sondern immer die Figur.

Wo haben Sie das Wien dieser Zeit gefunden, wo haben Sie gedreht?

Hauptsächlich in Tschechien, wo viele Bauten noch eine Patina haben, während in Wien schon viel zu Tode renoviert wurde.

Mit Georg Friedrich und Ella Rumpf haben Sie einige bekannte Darsteller dabei, der Titeldarsteller Robert Finster ist dagegen in Deutschland ein eher unbeschriebenes Blatt.

Das war die größte Herausforderung, da gab es viele Vorschläge, ich habe 35 junge Männer zum Casting geladen. Robert Finster ist mir oder meiner Mutter in einer Theaterproduktion aufgefallen. Er war beim Casting der Erste und der Einzige, der die Probeszene so interpretiert hat, dass ich dachte, aha, so könnte es gehen. Was er als einziger gemacht hat, war, die Hypnose wie den Akt eines finsteren Zauberers zu zeigen. Er hatte fast eine dämonische Kraft, eine wahnsinnige Intensität in seinen Augen. Er musste allerdings noch durch fünf weitere Castings, bis wir ihn bei den verschiedenen Produzenten durchsetzen konnten.

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024