Biografie

Quizshow und Gedenken

Fritz Benscher? Nur wenigen noch wird dieser Name etwas sagen. Dabei war er einst ein Star. Foto: Wallstein

Biografie

Quizshow und Gedenken

Beate Meyer porträtiert den Entertainer und Schoa-Überlebenden Fritz Benscher

von Frank Keil  19.04.2017 13:05 Uhr

Wie wäre sein Leben wohl verlaufen, wenn ihm sein Vater damals das gewünschte Geld geschickt hätte? Wenn ein Scheck eingetroffen wäre, als Fritz Benscher im Zeitraum 1929 bis 1930 Palästina besuchte? Er konnte sich gut vorstellen, im damaligen britischen Mandatsgebiet zu leben und dort als Busfahrer zu arbeiten. Nur hätte er dafür ein »Kapitalistenzertifikat« in Höhe von 1000 Pfund Sterling vorweisen müssen. Doch sein Vater denkt nicht daran, ihn entsprechend finanziell zu unterstützen. Und Fritz Benscher kehrt zurück nach Deutschland, es wird seine erste und letzte Reise nach Palästina beziehungsweise Israel bleiben.

Fritz Benscher? Nur wenigen noch wird dieser Name etwas sagen. Dabei war er einst ein Star. Zunächst auf den Kabarett-, Operetten- und Theaterbühnen der Weimarer Republik. Und später ein gefragter Rundfunkmoderator in den Anfangstagen des Bayerischen Rundfunks, dann weit über Bayern hinaus einer der ersten und also prägenden Fernseh-Quizmaster der damals jungen Bonner Republik, dem Blätter wie die »Hörzu« selbstverständlich Geschichten widmeten.

Und der unermüdlich in einer Zeit tätig war, als das Radio als Bildungsinstitution noch einen hohen Rang und das Fernsehen eine Art Monopol sowohl in der Sparte Unterhaltung als auch Information hatte. Und eben mittendrin Benscher, ein arbeitsbesessener Moderator, Kommentator und Conferencier, der lockere Musik- und Ratesendungen ebenso managte wie Kriminalhörspiele – und Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Schoa.

Wissen Denn dass er Jude war, das sollten alle wissen. Und was er während seiner Haft und Lagerzeit in Theresienstadt und dann Auschwitz und zuletzt Dachau erlitten hatte, davon sollte man erfahren – im Unterschied zu Hans Rosenthal, mit dem man Benscher bei aller gebotenen Vorsicht vielleicht vergleichen könnte und der sein Jüdischsein und seine Geschichte zwar nicht verschwieg, aber es doch eher als eine Art Privatsache behandelte. Benscher war da anders. Ganz anders.

Nun hat die Hamburger Historikerin Beate Meyer sich die Zeit genommen, Fritz Benschers Leben zu recherchieren, sich durch Akten und Zeitungsarchive zu wühlen, sich mit noch lebenden Angehörigen zu treffen, und sie hat eine bemerkenswert detailreiche Biografie geschrieben, die den erklärenden Untertitel Ein Holocaust-Überlebender als Rundfunk- und Fernsehstar in der Bundesrepublik trägt.

Humor Beate Meyer stieß das erste Mal in den 90er-Jahren auf Benschers Lebensspuren, als sie im Rahmen der Hamburger Stolperstein-Projektes, das sie maßgeblich begründet hat und seitdem mitverantwortet, die Lebensdaten der Hamburger Familie Wecker recherchierte: Benscher war damals Untermieter der Familie, die als Juden mit einem Angehörigen, der psychisch erkrankt war, doppelt von Verfolgung bedroht war. Er muss ihr damals mit seinem Humor und seiner gelegentlichen Spottlust eine sehr wichtige Stütze gewesen sein.

Davon erzählt das Buch und davon, wie der Hamburger in München eine zweite Karriere startete, als er im Mai 1945 beim amerikanischen Militärsender vorsprach. Wie er verlässlich unbequem keiner Auseinandersetzung aus dem Wege ging und konsequent sein Projekt verfolgte, durch Bildung, Aufklärung, aber auch Konfrontation die Deutschen wachzurütteln. Und so ist Beate Meyers Buch über die Würdigung der Person Benschers hinaus auch eine faszinierende Beschreibung dieser Anfangstage des damaligen Radios.

Beate Meyer: »Fritz Benscher – Ein Holocaust-Überlebender als Rundfunk- und Fernsehstar in der Bundesrepublik«. Wallstein, Göttingen 2017, 272 S., 24,90 €

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025