Berlin

Problem und Symbol

Bei der Vorstellung des Antisemitismusberichts: Andreas Statzkowski, Vorsitzender der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und Berliner Staatssekretär für Sport und Verwaltung (CDU) Foto: dpa

In den vergangenen Jahren machen immer wieder gewalttätige Angriffe auf Berliner Juden Schlagzeilen. Zwei der jüngsten Beispiele: In der Silvesternacht wurde am Bahnhof Friedrichstraße ein 26-jähriger Israeli Opfer eines antisemitischen Angriffs. Die Täter, die zuvor in der U-Bahn antisemitische Parolen gerufen hatten, traktierten den jungen Mann mit Fausthieben und Tritten. Am 3. Januar entdeckte eine Charlottenburgerin, nach Polizeiangaben Mitglied der Jüdischen Gemeinde, dass jemand in die Motorhaube ihres Autos ein Hakenkreuz geritzt hatte.

Das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin wollte herausfinden, wie weit verbreitet antisemitische Angriffe in der Hauptstadt sind und was gegen sie unternommen wird. Ergebnis der Forschungen ist die Studie Antisemitismus als Problem und Symbol. Phänomene und Interventionen in Berlin, die in dieser Woche offiziell vorgestellt wurde. Ein Ergebnis der Studie ist, dass Vorfälle wie die oben genannten häufig nicht bekannt werden. Auch gehen die Autoren Michael Kohlstruck und Peter Ullrich der Frage nach, wie erfolgreich die Konzepte gegen Antisemitismus in Berlin sind.

Abgrenzung »Distanzierungen, Vorbehalte bis hin zu Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden gehören in dieser Stadt, wie in anderen auch, zum Alltag. Dies verbindet sich mit verschiedenen anderen Problematiken. In der Form beispielsweise mit körperlicher Gewalt und Männlichkeitsinszenierungen im Fußballfanmilieu, inhaltlich mit abwertenden Stereotypen (Juden würden nicht helfen) und dem Nahostkonflikt (›Scheiß Israel‹), aber möglicherweise auch mit anderem Rassismus«, schreiben die Autoren.

Dabei sei es schwierig, genau abzugrenzen, was ein antisemitischer Vorfall sei: »Denn es besteht unter Akteuren, die sich mit der Thematik Antisemitismus befassen, über viele Teilfragen kaum Einigkeit. Es existieren vielmehr sehr unterschiedliche Auffassungen bezüglich des Charakters des Antisemitismus (Was gilt als Antisemitismus und was nicht?), zum quantitativen Umfang von antisemitischen Phänomenen, ihrer qualitativen (politischen, moralischen usw.) Bewertung und zu den angemessenen Strategien ihrer Abwehr.«

Weitere Fragestellungen der Studie sind: Welche Konzepte gegen Antisemitismus gibt es in Berlin? Wer beobachtet mit welchen Instrumenten die verschiedenen Phänomene des Antisemitismus? Welche Erklärungsversuche, Ursachenanalysen und Einschätzungen der festgestellten Phänomene gibt es, und wovon hängen diese ab? Welche Handlungsempfehlungen können aus den Erkenntnissen – insbesondere für die Bearbeitung des Themas im pädagogischen Kontext – abgeleitet werden?

Chronik Die Autoren haben drei Gruppen von Akteuren untersucht: staatliche Akteure, jüdische Organisationen und Freie Träger mit Bildungsangeboten, die sich zwischen 2010 und 2013 in Berlin besonders mit dem Thema Antisemitismus befasst haben. Das erklärte Ziel der Autoren ist, das »fragmentarische Wissen zusammen(zu)tragen, welches wir über Antisemitismus in Berlin haben«. Ferner enthält die Studie eine Chronik antisemitischer Übergriffe in den Jahren 2010 bis 2013.

Die Studie entstand in Zusammenarbeit des Zentrums für Antisemitismusforschung (Michael Kohlstruck) mit dem Zentrum Technik und Gesellschaft (Peter Ullrich) der TU Berlin im Auftrag der Landeskommission Berlin gegen Gewalt. ja

Die 140-seitige Studie kann als PDF-Datei unter dem Link www.berlin.de/lb/lkbgg/publikationen/berliner-forum-gewaltpraevention/2015/artikel.247803.php heruntergeladen werden.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025