Hören!

Persische Sonnenuntergänge

Israelisch-persisch-deutsches Projekt: die Band Sistanagila Foto: Neda Navaee

Es ist ein Gänsehautmoment, wenn die junge Frau mit klarer Stimme ansetzt, »Shalom Aleichem« zu singen. Abgesehen von der Schönheit des Schabbatliedes ist die Sängerin ein kleines Wunder: Würde sie dieses Lied in ihrer Heimat singen, es wäre schlecht um ihre Sicherheit bestellt. Mahjabin Kavari Zadeh kommt aus dem Iran, der die Zerstörung Israels zur Staatsräson erhoben hat – und wo Frauen in der Öffentlichkeit nicht singen dürfen. Dann stimmt ein Mann namens Yuval Halpern mit ein. Wenn ein Israeli und eine Iranerin perfekt harmonieren, besteht Hoffnung!

Der Klub ist voll, wie eigentlich jedes Konzert des Berliner Musikprojekts Sistanagila, egal ob in einem kleinen Saal in Freiburg, einem Gemeindehaus in Bremen oder in der Passionskirche in Berlin. Dieser Abend feiert das Erscheinen des zweiten Albums, Urub, Sonnenuntergang auf Persisch, der Zeitpunkt, an dem man sich zusammensetzt. »Hine ma tov …«, singt Halpern, »alles ist gut, wenn Brüder zusammensitzen.«

In der Mischung aus traditioneller iranischer und jüdischer Musik sind immer wieder Einflüsse von Folk und Jazz zu hören.

FAMILIE »Sistanagila ist für mich wie eine Familie« sagt Gitarrist Hemad Darabi. »Jedes Mitglied hat einen anderen Geschmack, andere Verantwortung zu tragen. Aber zusammen wollen wir ein schönes, ein perfektes Leben in der Musikwelt aufbauen.« Seit rund sieben Jahren bauen Sistanagila schon daran. Mit stetig wachsendem Erfolg. 2020 werden sie in der Berliner Philharmonie zu hören sein.

Die Idee, diese Brücke aus Musik zu schlagen, hatte einst der iranischstämmige Informatiker Babak Shafian. Zusammen mit dem israelischen Komponisten Halpern brachte er die Musiker zusammen. »Das hat das Leben in Deutschland möglich gemacht«, sagt Halpern, der als musikalischer Direktor der Band nicht nur singt, sondern auch für die Arrangements zuständig ist.

In der Mischung aus traditioneller iranischer und jüdischer Musik sind immer wieder Einflüsse von Folk und Jazz, aber auch Heavy Metal zu hören. Jeder Musiker bringt sein ganz eigenes Ton-Paket mit. Das hört man auf dem neuen Album besonders gut, wo Darabi und Kontrabassist Avi Ben Chamo mit eigenen Kompositionen vertreten sind. Überhaupt zeigt Urub die Offenheit der Band, wenn Jawad Salkhodeh dem Tombak die unglaublichsten Rhythmen entlockt, Omri Abramov auf dem Saxofon zwischen Klezmer und Jazz neue Melodien findet oder Halperns Stimme zwischen Rock und sefardischer Romantik wechselt.

»Sistanagila ist für mich wie eine Familie« sagt Gitarrist Hemad Darabi.

ZUGANG »Ich glaube an die Message dieser Musik«, sagt Abramov, der bereits mit Idan Raichel auf der Bühne stand und der jüngste Zugang ist. Sängerin Kavari Zadeh kommt bei besonderen Konzerten als Gast dazu. Halpern wünscht sich mehr Gastmusiker aus den beiden Ländern. Um mit gutem Beispiel voranzugehen.

Das hat Sistanagila auch vergangenes Jahr getan, als sie beim Friedensfest in Ostritz aufgetreten sind, eine Gegenveranstaltung zum jährlichen Neonazi-Festival. Es sei nicht gerade ihr entspanntester Auftritt gewesen, betonen die Musiker. »Aber wenn sich jeder nur um den eigenen Frieden kümmert, hat der Frieden in der Welt keine Chance«, sagt der Bassist der Band.

Sistanagila: »Urub«, Berlin 2019

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

 

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025