Musik

Odyssee durch Europa

Bei einem Festival mit dem Titel »Music & Migration« muss man nicht lange nach Künstlern mit jüdischen Wurzeln suchen. Juden waren fast immer und fast überall zur Flucht gezwungen oder mussten, höflicher formuliert, jederzeit mit unfreiwilliger Umsiedelung rechnen. Sie sind dadurch sozusagen zu Migrations-Spezialisten geworden. Und weil jüdische Migration gerade in Berlin gut zu beobachten ist, weil die Stadt zu einem Hotspot für jüdische und speziell israelische Künstler geworden ist, so ist Berlin auch der beste Ort für das Festival, das vom 10. bis zum 14. Oktober in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg stattfindet.

Natürlich ist »Music & Migration« kein explizit jüdisches Festival, was schon der Untertitel »A European Jazz Odyssee« bestätigt. Eher das Gegenteil trifft zu: Die Musiker stammen aus aller Herren Länder, angefangen von Armenien, Afghanistan und Albanien bis hin zu Frankreich oder Katalonien. Es geht den Machern dieses erstmals stattfindenden Festivals vielmehr um gegenseitige Beeinflussung und Einflussnahme in der zeitgenössischen europäischen Musik. Wobei gerade der Jazz die Paradedisziplin ist, wenn es um die Verschmelzung und Integration von Musikstilen unterschiedlicher Herkunft geht.

Jazz Und so liest sich das Line-Up auf den ersten Blick wie ein reines Jazzfest: Zum Beispiel treten mit dem Schlagzeuger Ernst Bier oder dem Pianisten Colin Vallon Künstler auf, die sich in Jazzkreisen einen guten Namen gemacht haben. Das Gleiche gilt auch für die albanische Sängerin Elina Duni und die Griechin Savina Yannatou, die beide bei Deutschlands renommiertestem Jazzlabel ECM veröffentlicht werden.

Wenn man sich allerdings vor Augen führt, dass eine Sängerin wie Yannatou quasi den kompletten Mittelmeerraum in ihre Gesänge integriert und sogar sefardische Wiegenlieder wie »Nani Nani« singt, dann wird deutlich, dass hier der Begriff Jazz sehr weit gefasst wird. Der Jazz gilt den Machern des Festivals als eine Art Sammelbecken und größter gemeinsamer Nenner.

Oft handelt es sich um Folk, der in der Spielform des Jazz interpretiert wird. Anders ist das höchstens bei einer Band wie Vibratanghissimo, deren Musik auf der Schnittstelle von Tango und Jazz balanciert. Das Quartett ist die einzige Festival-Band aus Berlin, doch die Musiker sind ebenfalls Migranten wie der Geiger Juan Lucas Aisemberg. Seine aschkenasische Familie ist einst nach Argentinien emigriert, doch er selbst ist vor Jahren nach Berlin gezogen.

Jemen Wie weit sich die musikalische Odyssee des europäischen Jazz tatsächlich nachverfolgen lässt, kann man vielleicht am besten beim Ensemble Yaman aus Israel beobachten. Die Band wurde 2009 von den beiden Israelis Igal Mizrahi und Ariel Nahum gegründet, aus Interesse an den alten jemenitischen Liedern ihrer Vorfahren.

Ihr Repertoire entsprang entweder Volksliedern oder religiösen Liedern, bei denen der Gesang lediglich von Trommeln begleitet wurde. Dieser Zweidimensionalität von Gesang und Trommel setzt die Band eine musikalische Vielschichtigkeit von arabischen und afrikanischen Klängen, Jazz, Reggae und Rock gegenüber. Und die Band ist angewachsen um vier weitere Musiker, deren Instrumente eine solche stilistische Bandbreite tatsächlich auch abdecken können. Man darf gespannt sein, wohin diese Odyssee führt.

www.music-and-migration.de

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Zahl der Woche

4275 Personen

Fun Facts und Wissenswertes

 09.07.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Studieren in Wien, Mampfen im neunten Bezirk

von Margalit Edelstein  09.07.2025

Psychologie

Modell für die Traumaforschung

Die Hebräische Universität veranstaltet eine Konferenz zu seelischer Gesundheit in Kriegszeiten

von Sabine Brandes  09.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 10. Juli bis zum 18. Juli

 09.07.2025

Musikbranche

»Schmähungen allein verbrauchen sich schnell«

Marek Lieberberg gehört zu den größten Konzertveranstaltern Europas. Der 79-Jährige über den Judenhass auf internationalen Musikfestivals, die 1968er und Roger Waters

von Sophie Albers Ben Chamo  09.07.2025

Berliner Philharmonie

Gedenkfeier für Margot Friedländer am Mittwoch

Erwartet werden zu dem Gedenken langjährige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde Friedländers sowie Preisträgerinnen und Preisträger des nach ihr benannten Preises

 08.07.2025

Berlin

Die Tänzerin ist Raubkunst

Heinrich Stahl musste die Statue während der NS-Zeit unter Zwang verkaufen. 1978 geriet sie an das Georg Kolbe Museum. Jetzt erheben Erben Vorwürfe gegen die Direktorin

von Ayala Goldmann  08.07.2025

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 08.07.2025