Inszenierung

Oberammergauer Multikulti-Moses

Joseph Goebbels war »gepackt und zu Tränen gerührt«, wie er 1930 in seinem Tagebuch notierte, nachdem er das Oberammergauer Passionsfestspiel gesehen hatte. Seit 1634 wird in dem oberbayerischen Dorf alle zehn Jahre mit einem massenhaften Aufgebot an örtlichen Laiendarstellern die Kreuzigung Christi als Volkstheater mit deutlich antijüdischem Unterton inszeniert.

Ursprünglich die Einlösung eines Dankgelübdes dafür, dass der Ort im 17. Jahrhundert von der Pest verschont geblieben war, entwickelte das Passionsspiel sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem internationalen Tourismusevent mit Zuschauern aus aller Welt, vor allem Amerikanern, deren Besuch viel Geld in die örtlichen Kassen spült.

Vielleicht, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden, wurde die Aufführung 2010 von allzu offen judenfeindlichen Passagen gesäubert, nachdem es immer wieder heftige Kritik amerikanisch-jüdischer Verbände geben hatte. Statt als Opfer der Juden trat Jesus diesmal als gläubiger Sohn Israels auf, das Schma-Jisroel-Gebet auf den Lippen.

politisch korrekt Jetzt setzen die Verantwortlichen noch eins drauf. Für den diesjährigen Hit der oberbayerischen Dorfbühne hat nicht die christliche Bibel, sondern die Tora die Vorlage geliefert. Moses heißt das Stück, das am 6. Juli Premiere hat. Politisch korrekterweise ist das Drama ganz im Geist der abrahamitischen Ökumene angelegt.

»Für die Juden ist Moses der höchste Prophet, weil er Gott so nahe kam wie kein anderer Mensch ... Muslime nennen ihn Kalim Allah – ›der, zu dem Gott spricht‹, und für die Christen ist er der größte Prophet des Alten Testaments«, schreibt Regisseur Christian Stückl. Für die Multikulturalität des Oberammergauer Moses bürgt als Koautor Feridun Zaimoglu (Kanak Sprak). Ihm zur Seite stand bei der Dramatisierung Christian Senkel.

Perfekt wäre noch ein dritter, jüdischer Autor gewesen. Den hat man leider nicht gefunden, vielleicht auch nicht gesucht. Möglicherweise ein Fehler. Denn noch ist Oberammergau nicht endgültig gekaschert.

Die Anti Defamation League und das American Jewish Committee hatten 2010 angekündigt, die Neuinszenierung zu prüfen. Vielleicht soll der Multikulti-Moses zeigen, wie ernst man es in Bayern mit der Neuausrichtung nimmt. Falls das dennoch nicht verfängt, muss die Passionstheater GmbH es halt noch mal versuchen. Wie wär’s mit einem Purimspiel?

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024