Amazon

Nicht wirklich ausgemistet

Amazon räumt nach Intervention jüdischer Organisationen auf Foto: Getty Images / istock

Die Proteste jüdischer und anderer Organisationen haben anscheinend gefruchtet: Der weltweit führende Online-Buchhändler Amazon hat laut einem Bericht der britischen Tageszeitung »The Guardian« zahlreiche Werke von Nazi-Größen – darunter auch Ausgaben von Hitlers Buch Mein Kampf und Nachdrucke des antisemitischen Kinderbuchs Der Giftpilz – aus seinem Sortiment gestrichen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte das Vorgehen, forderte aber: »Diesem Schritt sollten weitere folgen.« Es gebe immer noch antisemitische Werke, die von Amazon verkauft würden, so Schuster. Er sei dennoch »zuversichtlich, dass die Online-Plattform weiterhin entsprechend aktiv wird.«

Nach Recherchen der Jüdischen Allgemeinen sind nach wie vor zahlreiche Bücher aus der NS-Zeit auf verschiedenen Amazon-Seiten gelistet. So verkauft die deutsche Dependance des Online-Händlers seit längerem Werke von Theodor Fritsch. Der 1933 verstorbene Verleger und Journalist war einer der einflussreichsten antisemitischen Autoren im Kaiserreich und der Weimarer Republik.

Nach wie vor sind Bücher aus der NS-Zeit auf verschiedenen Amazon-Seiten gelistet.

»JUDENFRAGE« Aus seiner Feder stammen unter anderem das Handbuch der Judenfrage und der Antisemiten-Katechismus. Außerdem verlegte Fritsch eine deutsche Fassung der antisemitischen Fälschung Protokolle der Weisen von Zion. Im Kaiserreich wurde er mehrfach wegen Beleidigung einer Religionsgemeinschaft und Störung der öffentlichen Ordnung zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Alle drei genannten Bücher waren bis vor Kurzem bei Amazon.de in aktuellen Ausgaben käuflich zu erwerben. Nach einer Anfrage der Jüdischen Allgemeinen bei Amazon-Deutschland Ende Februar wurden die Protokolle aus dem Sortiment genommen; die beiden anderen Fritsch-Werke sind dagegen nach wie vor gelistet.

Auch das englischsprachige Buch The Ideal National Socialist bleibt bei Amazon vorerst weiter erhältlich. Als dessen Autor wird Reinhard Heydrich angegeben, Chef des NS-Sicherheitsdienstes (SD) und einer der Hauptorganisatoren der Judenverfolgung und des Holocaust. Neben einem ursprünglich 1935 in der SS-Zeitung »Das schwarze Korps« veröffentlichten Heydrich-Aufsatz finden sich in dem Buch auch postume Elogen von Nazi-Größen wie Martin Bormann auf Heydrich, der 1942 von tschechoslowakischen Widerstandskämpfern bei Prag erschossen worden war.

FEEDBACK Auf Amazons britischer Webseite ist das Angebot an nazistischer Literatur sogar noch größer. Sowohl das Heydrich-Werk als auch das SS-Buch Führen und folgen werden dort (in englischer Sprache) verkauft. Ebenso sind übersetzte Texte von SS-Chef Heinrich Himmler (The Homosexual Threat to Civilization) und antisemitische Machwerke wie The Talmud Unmasked: The Secret Rabbinical Teachings Concerning Christians des litauischen Priesters I. B. Pranaitis gelistet.

Auf Amazons britischer Webseite ist das Angebot an nazistischer Literatur sogar noch größer.

Dieses Buch stößt anscheinend auf positives Feedback der Amazon-Kunden: 34 Rezensenten gaben ihm durchschnittlich vier von fünf Sternen.

Das gilt auch für einen anderen Titel: In The Controversy of Zion des verstorbenen britischen Journalisten Douglas Reed wird eine angebliche zionistische Weltverschwörung zum Zwecke der Versklavung der Menschheit aufgedeckt. Auf der deutschen Amazon-Seite ist das Reed-Buch sowohl in englischer als auch in französischer Sprache bestellbar. Im Schnitt viereinhalb von fünf möglichen Sternen haben die 59 Amazon-Rezensenten dafür vergeben.

RICHTLINIEN Eine schriftliche Anfrage der Jüdischen Allgemeinen an Amazon Deutschland ließ die Pressestelle des Unternehmens unbeantwortet. Auch der Sprecher von Amazon UK wollte die Fragen dieser Zeitung nicht beantworten und verwies lediglich auf die Richtlinien des Unternehmens hinsichtlich des Verkaufs von Büchern.

In der Vergangenheit war Amazon schon des Öfteren in die Kritik geraten, weil das Unternehmen seit Jahrzehnten mit dem Verkauf von antisemitischen Werken Geld verdient.

Dort finden sich recht allgemeine Hinweise auf die Notwendigkeit der Einhaltung von Gesetzen. Zum Umgang mit antisemitischen und anderen Hetzschriften wird nichts ausgeführt.

In der Vergangenheit war Amazon schon des Öfteren in die Kritik geraten, weil das Unternehmen seit Jahrzehnten mit dem Verkauf von antisemitischen Werken Geld verdient. Ab und an entfernt der Internetriese zwar Titel aus seinem Sortiment, wie jetzt wieder.

Eine grundsätzliche Überprüfung möchten das Unternehmen und sein Gründer Jeff Bezos aber wohl verhindern. Was in einem Land akzeptabel sei, sei anderswo inakzeptabel, heißt es lapidar in den Amazon-Richtlinien. Und: »Bitte denken Sie daran, dass wir weltweit Kundschaft haben.«

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