Berlin

»Nicht vom Himmel gefallen«

Die Kulturstaatsministerin brachte es auf den Punkt. »Es hätte nicht passieren dürfen«, erklärte Claudia Roth in ihrer Video-Grußbotschaft anlässlich der Tagung »Kunstfreiheit als Ausrede? – Salonfähiger Antisemitismus und documenta 15«, die das Tikvah Institut zusammen mit der Friedrich-Naumann-Stiftung am vergangenen Wochenende in Berlin ausgerichtet hat.

Antworten, warum das Kind dennoch in den Brunnen gefallen ist und antisemitische sowie Terror verherrlichende Artefakte auf der documenta fifteen in Kassel gleich in Serie auftauchten, konnte sie aber keine liefern.

Aufgabe Diese Aufgabe übernahmen stattdessen die Teilnehmer der Tagung. »Kunstfreiheit ist nicht die Legitimation für Judenhass«, betonte denn auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Zuspruch bekam die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen von Volker Beck, dem Geschäftsführer des Tikvah-Instituts, der erklärte, dass man keinen »Freifahrtschein im Namen der Kunstfreiheit« ausstellen dürfe.

Und Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, hob hervor, dass es in der Bewertung von Kunstwerken, die die Bildsprache des »Stürmers« reproduzieren, keinen Unterschied macht, ob diese nun in China, Australien oder eben in Kassel ausgestellt werden.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zugleich verwies Klein auf die Doppelmoral in der Debatte um das aus Indonesien stammende Künstlerkollektiv Taring Padi, das unter anderem das großformatige Wimmelbild »People’s Justice« zu verantworten hatte, auf dem ein Schwein samt Davidstern und Helm mit der Aufschrift »Mossad« zu sehen war: »Hätte ein Kollektiv von Rechtsextremisten so etwas gezeigt, es wäre ein Sturm der Entrüstung durch das Land gegangen.«

bedenken Der »größte Antisemitismus-Skandal der neueren Geschichte der Bundesrepublik« geschah mit Ansage, formulierte es Josef Schuster in seiner Video-Grußbotschaft. Alle Bedenken, die aufmerksame Beobachter schon Monate vor der Eröffnung der documenta zur Sprache gebracht hatten, wurden von den Verantwortlichen ignoriert. »Es war doch nicht so, dass ›People’s Justice‹ von Taring Padi auf der documenta einfach vom Himmel gefallen war«, so der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. »Das Bild existiert bereits seit 20 Jahren.«

»Antizionistische Positionen sind längst ein fester Bestandteil in diesen progressiven Milieus.«

Marina Chernivsky, Leiterin des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment der ZWST

Und damit war man auch schon mittendrin in den Diskussionen, wobei sich recht schnell herauskristallisierte, dass im Kunstbetrieb ein handfestes Problem mit Juden und Israel existiert. »Es geht nicht um ehrliche Kritik«, ist Marina Chernivsky überzeugt. »Antizionistische Positionen sind längst ein fester Bestandteil in diesen progressiven Milieus«, so die Leiterin des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST). »Die Dämonisierung ist alltäglich und ideologisch verfestigt.«

widersprüche In diesem Kontext kamen immer wieder Begriffe wie »Postkolonialismus« und »Globaler Süden« zur Sprache – Stichworte all derjenigen, die in Israel die letzte Bastion eines kolonialen Siedlerstaates sehen, dessen Abschaffung quasi Voraussetzung für eine bessere Welt sei. Auf die Widersprüche in diesen Ansätzen machte Stephan Grigat aufmerksam. »Der Zionismus hat antikoloniale Aspekte«, so der Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule NRW. »Wer hat denn die Briten aus Palästina rausgeschmissen?«

Vertreter aus dem Umfeld der documenta waren ebenfalls zu der Tagung eingeladen, um ihre Positionen zu erläutern. Doch erschienen ist niemand. »Miteinander zu reden, ist doch das Mindeste«, lautet darauf die Reaktion von Olaf Zimmermann, Vorsitzender des Stiftungsbeirates der Kulturstiftung des Bundes. »Ich bedauere, dass so wenige Personen aus dem Kulturbetrieb der Einladung zu dieser Veranstaltung gefolgt sind.«

Lesen Sie mehr in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 03.07.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  03.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  03.07.2025

Sehen!

»Hot Milk«

Die Mutter-Tochter-Geschichte unter der Regie von Rebecca Lenkie­wicz ist eine Adaption des Romans von Deborah Levy

von Anke Sterneborg  03.07.2025

Aufgegabelt

Iced Tahini Latte

Rezepte und Leckeres

 02.07.2025

Essay

Wenn der Wutanfall kommt

Kleine Kinder können herausfordern. Was macht das mit Eltern? Reflexionen einer Mutter

von Nicole Dreyfus  02.07.2025

Meinung

Die Erforschung von Antisemitismus braucht Haltung und Strukturen

Damit die universitäre Wissenschaft effektiv zur Bekämpfung von Judenhass beitragen kann, muss sie zum einen schonungslos selbstkritisch sein und zum anderen nachhaltiger finanziert werden

von Lennard Schmidt, Marc Seul, Salome Richter  02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 3. Juli bis zum 10. Juli

 02.07.2025