Aussteiger

Neues vom »Grünen Prinzen«

An Israels Seite: Mosab Hassan Yousef Foto: picture alliance / AP Photo

Unter den Titeln »Sohn der Hamas« und »Grüner Prinz« ging seine Geschichte als Buch und als Film um die Welt. Sie handelt von der spektakulären Wandlung des Mosab Hassan Yousef aus Ramallah – Hamas-Terrorist und Sohn des Hamas-Mitgründers Hassan Yousef – zum Kollaborateur mit Israel und später zum überzeugten Überläufer. Lange hatte man danach wenig von Yousef gehört. Dies änderte sich nach dem 7. Oktober 2023, der auch ihn erschütterte.

»Ich wusste sofort, dass ich etwas tun musste«, sagt Yousef der Jüdischen Allgemeinen in Miami. »Es waren meine Leute, die hier massakriert wurden. Meine Freunde, mit denen ich mittlerweile mein halbes Leben verbracht hatte.« Er machte es sich zur Mission, noch mehr über den islamistischen Terrorismus und die »Palästina-Ideologie«, wie er es nennt, aufzuklären.

Lesen Sie auch

Das macht er so knallhart und bisweilen radikal, dass ihm der Stempel »Islamkritiker« nicht zu Unrecht anhaftet – etwa, wenn er vor einem Millionen-Publikum in den sozialen Netzwerken gegen Antisemiten in der Show von Piers Morgan streitet und dabei manchmal auch ausfällig wird.

Bei seinen Vorträgen an Universitäten wirkt er oft wütend. Im Oktober schimpfte er im EU-Parlament über Abgeordnete, die nicht gekommen waren, um ihn zu hören: »Das wäre ihre Gelegenheit gewesen, Erfahrungen aus erster Hand und aus dem Nahen Osten mitzubekommen!« So wütend sei er aber gar nicht, so Yousef zur Jüdischen Allgemeinen. Er spreche nur so harsch, damit er gehört werde. In Wahrheit tue er das aber aus Liebe zu allen Geschöpfen Gottes.

Im Zentrum der Erzählung steht seine lange Selbstfindungs-Odyssee im neuen verheißenen Land.

Wenn man seine Tweets liest (»Man kann Muslimen nicht trauen«), nimmt man ihm das nicht ab. Beim Lesen seines neuen Buchs (»gewidmet den arabischen und jüdischen Kindern«) dagegen schon. In Kooperation mit James Becket schrieb er seine Geschichte seit seiner Ankunft in Amerika nieder. Sein neues Buch beginnt zwar – wie seine erste Autobiografie Sohn der Hamas: Mein Leben als Terrorist – mit einem actionreichen Rückblick auf seine Zeit als Agent des israelischen Geheimdienstes, der ständig durch sein Doppelleben lavieren und sich aus Lebensgefahr retten muss. Im Zentrum der Erzählung steht nun aber seine lange Selbstfindungs-Odyssee im neuen verheißenen Land.

Yousef lernt das harte Leben in der Freiheit kennen, muss aber erst gegen die Bürokratie um seine Aufenthaltserlaubnis kämpfen, um nicht in den sicheren Tod in Nahost abgeschoben zu werden. Er ist mittellos, da ein Verwandter ihn um seine Eigentumswohnung in Ramallah geprellt hat.

Heißt: Er muss sich in Amerika als »Nomade« durchschlagen – oft mithilfe von Freunden, die ihn immer wieder aufnehmen, aber mit eigenen Problemen kämpfen. Yousef staunt, wie etwa Eheleute, die in Frieden an der Pazifikküste aufgewachsen sind, trotzdem die Hölle erleben können.

Kirchengemeinden geben ihm Unterschlupf, aber er überwirft sich mit ihnen, sobald sie ihm zu vereinnahmend werden. Milliardäre bieten ihm viel Geld an, damit er für sie arbeitet – aber um den Preis seiner Unabhängigkeit. In guten Zeiten kauft er sich spontan einen Porsche, lebt zeitweise ein Party-Leben in Hollywood – merkt aber, dass ihn das nicht dauerhaft befriedigt.

Nur allmählich findet er zu sich: durch viel Sport, Reisen und Yoga. Er bleibt bis heute ein Nomade ohne festen Wohnsitz. Seine Reise sei »ein Geschenk an alle, die durch die Hölle der menschlichen Grausamkeit gegangen sind«, schreibt Yousef. Sein Buch erzählt die Geschichte einer Befreiung – inspirierend für jeden, der seinen Platz im Leben sucht.

Mosab Hassan Yousef und James Becket: »From Hamas to America: My Story of Defying Terror, Facing the Unimaginable, and Finding Redemption in the Land of Opportunity«. Forefront Books, Nashville 2024, 304 S., 22,80 $

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025