So ein Mensch wie er selbst sei eigentlich ein Unding, sagte Sammy Davis Jr. über sich selbst. »Ich bin schwarz, jüdisch und ein Puerto-Ricaner«, witzelte er einst auf der Bühne.
»Wenn ich in eine Nachbarschaft umziehe, lösche ich sie aus.« Was als lockerer Spruch daherkommt, war für den US-amerikanischen Entertainer zeitlebens eine bittere Realität. Sammy Davis Jr. wollte als Mensch und Künstler anerkannt - ja, geliebt werden. Und doch musste der hagere Sänger, Tänzer und Schauspieler immer wieder Grenzen überwinden, die ihm der Rassenhass setzen wollte. Am 8. Dezember wäre er 100 Jahre alt geworden.

Vielen gilt Samuel George »Sammy« Davis Jr. als der vielleicht größte Allround-Entertainer, den das Showbusiness in den USA hervorgebracht hat. Als Sohn einer Künstlerfamilie im New Yorker Stadtteil Harlem geboren, wurde er von klein an auf das Bühnenleben getrimmt.
Atemberaubende Perfektion
Sein Vater brachte ihm das Steppen bei, er sang, tanzte und bekam schon als Siebenjähriger eine kleine Filmrolle. Statt Schulunterricht tingelte er als Wunderkind durchs Land. Wohl um Nachteile aufgrund der anti-kubanischen Stimmung im Land zu vermeiden, verschleierte er später die eigentlich kubanische Abstammung seiner Mutter und bezeichnete sich selbst als Puerto-Ricaner.
In seiner Rolle als lustiger Strahlemann wollte Sammy Davis Jr. allen gefallen und damit auch ethnische Schranken in der US-Gesellschaft überwinden. Legendär sind seine Leichtigkeit, sein Witz und seine atemberaubende Perfektion, die er als Multitalent in allen Bühnenkünsten bot. Davis wurde landesweit engagiert für Bühnenshows, Musicals, begeisterte als Sänger mit seiner warmen Stimme und als Stimmenimitator.
1941 freundete sich Davis mit dem zehn Jahre älteren Sänger Frank Sinatra an. Der Star öffnete ihm im streng nach Hautfarbe getrennten US-Unterhaltungsbetrieb die Türen für ein weißes Publikum. Mithilfe von Sinatra - und wohl auch durch dessen gute Kontakte zur Mafia - fand er den Weg in die Glitzerwelt von Las Vegas.
Teil des »Rat Pack«
1943, während des Zweiten Weltkriegs, ging er zur US-Armee. Die Zeit war für ihn wegen ständiger rassistischer Anfeindungen traumatisch, erinnerte er sich später. Als er 1954 bei einem Autounfall ein Auge verlor, war dies ein Wendepunkt in seinem Leben: Davis konvertierte zum Judentum, zu dem er sich besonders hingezogen fühlte. Juden und schwarze Menschen verbinde »die Unterdrückung, die Trennung, der ständige Versuch, zu überleben und Würde zu erhalten«, sagte er.
Cooler Smoking, ein Whiskeyglas in der Hand, schlüpfrige Witze: Ende 1959 trat Davis dem »Rat Pack« bei, einer partymachenden Herrenrunde um Frank Sinatra und Dean Martin. Er gab den Komiker der Gruppe auf der Bühne und in Filmen wie der Gauner-Komödie »Ocean’s Eleven«, der 1960 erschien. Davis, der den reformorientierten US-Präsidenten John F. Kennedy unterstützte, glaubte, eine Tür für schwarze Menschen in der US-Gesellschaft aufzustoßen.
Er heiratete 1960 die schwedische Schauspielerin May Britt in zweiter Ehe und wurde von den rassistischen Geheimbündlern des Ku-Klux-Klan bedroht. Das Verbot von interrassischen Ehen in vielen US-Staaten wurde erst 1967 vom Obersten Gerichtshof der USA aufgehoben. Die Ehe mit Britt wurde geschieden. Dreimal war Davis insgesamt verheiratet und hatte drei Kinder.

Späte Hits
Davis sammelte Spenden für die Bürgerrechtsbewegung, war 1963 an der Seite von Martin Luther King beim Freiheitsmarsch auf Washington. Ein Schock war es für viele liberale US-Amerikaner, als Davis den Präsidenten Richard Nixon unterstützte und sich mit ihm anfreundete.
Nixon galt als Treiber des Vietnamkriegs. Als Davis den republikanischen Politiker 1972 bei einer Wahlkampfveranstaltung umarmte, rumorte es in der schwarzen Community. Davis wurde als »Onkel Tom« beschimpft, als Schwarzer, der seine »eigenen Leute« verrate. Tief getroffen verteidigte er sich bei einem öffentlichen Auftritt: »Ich lasse mir nicht die Tatsache nehmen, dass ich schwarz bin.«
In den 1970er Jahren war die große Zeit der singenden Anzugträger der Swing-Ära vorbei. Und doch landete der auf der Bühne rauchende und trinkende Davis 1972 seine beiden größten Hits. »The Candy Man« mit einem süßen Kinderchor schaffte es auf Platz 1 der US-Charts.

Meisterhaftes Trommeln
Immer mit Sammy Davis Jr. verbunden bleibt seine fabelhafte Interpretation von »Mr. Bojangles«. Das sentimentale Lied erzählt von einem heruntergekommenen Tänzer, der im Gefängnis seinen Stepptanz aufführt.
Er habe Angst, selbst im Alter in Armut und Bedeutungslosigkeit abzustürzen, wie der schwarze Sänger Bojangles, sagte er in einem Fernsehinterview: »Wenn ich die Nummer an manchen Abenden bringe, denke ich: Oh, mein Gott, das bin ich.«
Auch in Deutschland war Sammy Davis Jr. beliebt. Im Jahr 1982 trat er in Alfred Bioleks Sendung »Bios Bahnhof« auf und sang sowohl »New York, New York« als auch »The Lady is a Tramp«. Am Ende des zweiten Songs setzte er sich kurzerhand ans Schlagzeug und trommelte meisterhaft.
1990 starb Davis, der für Künstler wie Michael Jackson ein Vorbild war, mit 64 Jahren, wohlhabend und hochgeachtet im kalifornischen Beverly Hills an Kehlkopfkrebs. (mit ja)