Hören!

Morgensterns Dämonen

Mit einem Schnitzel wird der jüdische Gastrokritiker Morgenstern malträtiert. Foto: Fotolia

Hören!

Morgensterns Dämonen

George Taboris »Ballade vom Wiener Schnitzel« als Hörspiel auf Deutschlandradio Kultur

von Michael Wuliger  21.05.2012 18:32 Uhr

Die Ballade vom Wiener Schnitzel, 1996 vom Autor selbst inszeniert und uraufgeführt – natürlich in Wien –, ist ein klassisches George-Tabori-Stück: Makaber, absurd und mit sicherem Blick für den Alltagsantisemitismus. In einer Hörspielfassung sendet Deutschlandradio Kultur am Sonntag, den 27. Mai, um 18.30 Uhr die Geschichte des magenkranken Restaurantkritikers Alfons Morgenstern und seiner Albträume. Da verweigert er einer Schnitzelbraterei die Aufnahme in einen Gourmetführer, worauf Wirt und Köche den »Saujud« mit Schnitzel zwangsfüttern wie eine Gans. Und es kommt noch schlimmer in Morgensterns Vorstellungswelt. Postbote, Hausmeister, Schornsteinfeger – alles Antisemiten! Die SS holt schon die ersten Juden aus dem Haus ab! Seine Frau Angela versucht, ihn in die Wirklichkeit zurückzuholen: »Wir haben das Jahr 1996!« Alfons darauf: »Eben. Und ich bin der Nächste.«

odyssee Und so geht Morgensterns Odyssee weiter. Als Bernhardiner verkleidet in eine Veterinärklinik eingeliefert, fallen dort die anderen Tiere über ihn her und singen dabei das Horst-Wessel-Lied. In seiner Not sieht er nur noch einen Weg: Sein Äußeres völlig verändern, um nicht mehr als Jude aufzufallen. Doch beim Friseur geschieht genau das Gegenteil: Mit Pappnase, Bart und Pejes wird Morgenstern in eine »Stürmer«-reife Judenkarikatur verwandelt. Am Ende sitzt er auf dem Friedhof und gedenkt all der Verwandten, die »in Rauch aufgingen«, während er selbst »nicht da war, als sie starben. Ich hielt mich in relativer Sicherheit auf.«

Manche Nichtjuden mögen die Ballade vom Wiener Schnitzel vielleicht als Satire über die gern zitierte »jüdische Paranoia« missverstehen. Tabori als Jude wusste es besser: Keine Paranoia und kein Albtraum kommen der Realität des Antisemitismus auch nur nahe.

George Tabori: »Die Ballade vom Wiener Schnitzel«. Deutschlandradio Kultur, Sonntag, 27. Mai, 18.30 Uhr

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025