Bayreuth

»Moralische Kunst«

Fania Oz-Salzberger Foto: Universität Bayreuth

Die israelische Historikerin Fania Oz-Salzberger hat für neue Akzente in der Erinnerungskultur plädiert. Jüdisches Leben in Deutschland sollte nicht auf den Holocaust verengt werden, sagte die an der Universität Haifa lehrende Wissenschaftlerin am Montagabend in Bayreuth.

Erinnerungskultur dürfe sich auch nicht auf große Namen, berühmte Instanzen und doktrinäre Formeln verlassen. Es gehe um eine »moralische Kunst«, nämlich sich das Leben anderer Menschen vorzustellen. Diese könne man nicht als Pflicht auferlegen, aber sehr wohl lehren.

vergangenheit »Wenn Männer lernen könnten, sich vorzustellen, eine Frau zu sein, oder Juden mehr in der Lage wären, sich vorzustellen, Muslime zu sein, oder Deutsche sich vorstellen, Juden zu sein – die politische Welt wäre eine bessere«, sagte Oz-Salzberger in einem Interview der Bayreuther Universitätspressestelle. »Das gilt für die Art und Weise, wie wir uns an Menschen erinnern, die in der Vergangenheit gelebt haben, und nicht weniger, wenn wir an Menschen denken, die als völlig Fremde neben uns leben.«

Jüdisches Leben in Deutschland sollte nicht auf den Holocaust verengt werden, sagte die an der Universität Haifa lehrende Wissenschaftlerin am Montagabend in Bayreuth.

Die deutschen Juden seien jahrhundertelang Deutsche gewesen. Die meiste Zeit seien sie sehr niedere Deutsche, zerbrechliche Deutsche, ungeliebte Deutsche gewesen, die ihre Heimat trotzdem geliebt hätten. »Nur wenn wir uns an sie erinnern oder sie uns zumindest vorstellen, können wir den Holocaust besiegen und über Hitler triumphieren«, sagte Oz-Salzberger.

bayreuth Mit Blick auf Bayreuth als zentralen Ort der von den Nationalsozialisten vereinnahmten Musik Richard Wagners erinnerte die Historikerin daran, dass jüdisch-deutsche Flüchtlinge und Überlebende in den 50er- und 60er-Jahren zu Hause still und heimlich Aufnahmen von Wagner-Opern gehört hätten. »Er war ein Teil des Deutschlands, das sie verloren haben.« Dass heute israelische Musiker auch in Bayreuth spielten, sei »weit mehr als ein sehr zivilisierter Akt der Rache«, meinte Oz-Salzberger. »Es ist ein neues Kapitel im zweiten Jahrtausend deutsch-jüdischer Kreativität.«

Die älteste Tochter des verstorbenen Schriftstellers Amos Oz (1939–2018) war Hauptrednerin bei einer zentralen Veranstaltung zum Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Studierende der Uni Bayreuth erarbeiten derzeit den Angaben zufolge multimediale Inhalte zu jüdischem Leben und jüdischer Kultur. In Form einer App sollen sie künftig zu virtuell angeleiteten Rundgängen durch die Stadt anregen. Dabei machten sie unter anderem Drohnenaufnahmen vom Jüdischen Friedhof. kna

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Interview

»Erinnern, ohne zu relativieren«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer über das neue Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, Kritik an seiner Vorgängerin Claudia Roth und die Zeit des Kolonialismus in der deutschen Erinnerungskultur

von Ayala Goldmann  12.11.2025