Krakau

Moderne Kunst bei Oskar Schindler

Das Industriegebiet Zablocie gehört nicht zu den einladenden Gegenden Krakaus. Eine zugige Eisenbahnunterführung führt Fußgänger in den Stadtteil, hinter dem Tunnel fällt der Blick auf Fabrikhallen und Industriegebäude. Doch Zablocie ist einer der meistbesuchten Orte der südpolnischen Stadt. Anziehungspunkt ist ein graues, dreistöckiges Verwaltungsgebäude aus den 1930er-Jahren. Hier rettete der deutsche Industrielle Oskar Schindler 1.200 Juden vor dem Tod in Auschwitz, indem er sie als »kriegswichtige« Arbeiter in seiner Firma beschäftigte, die er von jüdischen Vorbesitzern übernommen hatte.

touristenmagnet Weltberühmt wurde die frühere Fabrik 1994 durch Steven Spielberg, der hier seinen Film Schindlers Liste drehte. Seither besuchen jährlich Hunderttausende den Ort in der Lipowa-Straße. Bisher blieben sie vor einem verschlossenen Tor stehen, denn das letzte Unternehmen, das hier produzierte,ist vor ein paar Jahren ausgezogen. Danach wusste die Stadt lange nichts mit dem historischen Erbe anzufangen. Nun soll moderne Kunst der Last der Vergangenheit begegnen: Gerade eröffnet in Schindlers ehemaliger Fabrik ein Museum für Gegenwartskunst. Dazu renovierte die Stadt die Produktionshallen mit ihrem charakteristischen Sägezahndach und ließ den italienischen Architekten Claudio Nardi ein neues Gebäude im neo-modernistischen Stil errichten. Es ist das erste neu erbaute Museum für zeitgenössische Kunst in ganz Polen.

Doch erst einmal bleiben die Wände der Ausstellungshallen leer – eröffnet wird nur das Gebäude, die Dauerausstellung soll im April 2011 folgen. 4.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche müssen bespielt werden, die Sammlung befindet sich noch im Aufbau. Auch mit einem Leihgeber aus Krakaus Partnerstadt Nürnberg verhandeln die polnischen Kuratoren zurzeit über eine Kooperation.

Stella Müller-Madej sieht die Pläne skeptisch. Als junge Jüdin wurde sie über das Ghetto und das Lager Plaszów in Krakau nach Auschwitz deportiert. Dort gelangte sie auf die berühmte »Schindler-Liste«. Statt in die Gaskammer kam sie in das böhmische Brünnlitz, wohin Oskar Schindler seine Fabrik mitsamt seinen jüdischen Arbeitern vor der heranrückenden Front evakuiert hatte. Müller-Madej lebt bis heute in Krakau. Ihre Autobiografie ist das einzige Erinnerungsbuch eines »Schindler-Juden«, wie sich die Überlebenden selber bezeichnen. Es ist in viele Sprache übersetzt worden, auch ins Deutsche. Bis vor einigen Jahren hat sich die alte Frau regelmäßig mit Jugendlichen getroffen und ihre Geschichte erzählt. Jetzt kann sie wegen einer Gehbehinderung, eine Folge der Lagerzeit, ihre Wohnung nicht mehr verlassen.

Ein Kunstmuseum in der einstigen Werkhalle findet die 80-Jährige unpassend: »Wenn ich von der Fabrik höre, denke ich an meinen Retter Oskar Schindler und nicht an moderne Kunst.« Zwar arbeitete Müller-Madej selber nicht in der Lipowa-Straße, doch die Erinnerung an ihren Helden steht für sie über allem: »So einen wie Oskar Schindler gab es in ganz Europa nur einmal«, empört sie sich. »Moderne Kunst kann man doch überall zeigen.«

chance Doch für Krakau war der Umbau eine Chance, mit finanziellen Mitteln des polnischen Kulturministeriums die alten Hallen vor dem Verfall zu retten. Um den besonderen Charakter des Ortes zu zeigen, wurde immerhin eine Ziegelwand im Originalzustand belassen. Zudem will man mit Sonderausstellungen und -veranstaltungen später auf die Geschichte des Gebäudes verweisen. Neu ist auch eine Ausstellung des Historischen Museums der Stadt über die deutsche Besatzungszeit 1939 bis 1945 auf dem Gelände der Schindler-Fabrik.

Es ist eine multimediale Geschichts- inszenierung mit zahlreichen rekonstruierten Straßenszenen, Bunkern und so-gar einem Fragment des ehemaligen Lagers Plaszów. Schade findet Stella Müller-Madej, dass auch hier über ihren Retter viel zu wenig informiert werde: »Die Menschen müssen doch die Wahrheit über Oskar Schindler erfahren. Er war ein guter, edler Mann, der alles für seine Mitmenschen gegeben hat – wo soll man so etwas sonst lernen?«

Hollywood

Die »göttliche Miss M.«

Schauspielerin Bette Midler dreht mit 80 weiter auf

von Barbara Munker  28.11.2025

Literatur

»Wo es Worte gibt, ist Hoffnung«

Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen über arabische Handwerker, jüdische Mütter und ihr jüngstes Buch

von Ayala Goldmann  28.11.2025

Projektion

Rachsüchtig?

Aus welchen Quellen sich die Idee »jüdischer Vergeltung« speist. Eine literarische Analyse

von Sebastian Schirrmeister  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025

Aufgegabelt

Hawaij-Gewürzmischung

Rezepte und Leckeres

 28.11.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 28.11.2025 Aktualisiert

Fernsehen

»Scrubs«-Neuauflage hat ersten Teaser

Die Krankenhaus-Comedy kommt in den Vereinigten Staaten Ende Februar zurück. Nun gibt es einen ersten kleinen Vorgeschmack

 28.11.2025

Eurovision Song Contest

Spanien bekräftigt seine Boykottdrohung für ESC

Der Chef des öffentlich-rechtlichen Senders RTVE gibt sich kompromisslos: José Pablo López wirft Israel einen »Genozid« in Gaza und Manipulationen beim Public Voting vor und droht erneut mit dem Austritt

 28.11.2025

Imanuels Interpreten (15)

Elvis Presley: Unser »King«

Fast ein halbes Jahrhundert nach Elvis’ Tod deutet viel darauf hin, dass er Jude war. Unabhängig von diesem Aspekt war er zugleich ein bewunderns- und bemitleidenswerter Künstler

von Imanuel Marcus  28.11.2025