Frankfurt

Michael Wolffsohn mit Menschenrechtspreis geehrt

Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn Foto: imago

Frankfurt

Michael Wolffsohn mit Menschenrechtspreis geehrt

Der Historiker und Publizist hat in der Paulskirche den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis erhalten

 21.10.2018 14:52 Uhr

Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn ist am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis ausgezeichnet worden. Er erhalte den mit 10.000 Euro dotierten Preis für sein vielfältiges und umfangreiches Schaffen, begründete die Jury der Ehrung ihre Entscheidung. Vergeben wird die Auszeichnung von der Stiftung »Zentrum gegen Vertreibungen«.

»Wolffsohn war und ist ein Gegner aller Kollektivschuld-Thesen und steht damit fest auf dem Boden der unteilbaren Menschenrechte, die er unabhängig von Ideologien und Anfeindungen stets als Maßstab vertreten hat«, urteilte die Jury.

Familie Michael Wolffsohn ist der Sohn einer 1939 nach Palästina geflüchteten jüdischen Kaufmannsfamilie und Enkel des Verlegers und Kinopioniers Karl Wolffsohn. Er wurde 1947 in Tel Aviv geboren und übersiedelte 1954 mit seinen Eltern nach West-Berlin. Wolffsohn studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Volkswirtschaft an der FU Berlin, der Universität Tel Aviv und der Columbia University in New York City. Von 1981 bis 2012 lehrte er an der Universität der Bundeswehr in München Neuere Geschichte.

In seinem aktuellen Buch Friedenskanzler? Willy Brandt zwischen Krieg und Terror übt Wolffsohn scharfe Kritik an der Nahostpolitik des sozialdemokratischen Bundeskanzlers. Hier habe die damalige Bundesregierung unter Brandt schwere Fehler begangen und große Risiken in Kauf genommen, so der Historiker. Im Fokus seiner Analyse stehen unter anderem das Olympia-Attentat 1972 auf israelische Sportler in München und der Versuch von Israels Ministerpräsidentin Golda Meir, 1973 den Genossen Brandt für die Friedensvermittlung zu gewinnen.

In seinem vorherigen Buch Deutschjüdische Glückskinder (2017) erzählt Wolffsohn die Geschichte seiner weit verzweigten Familie vom frühen 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Biografie seiner Familie führt ihn auch zu grundsätzlichen Fragen wie nach der Zukunft des Judentums angesichts der jüngeren und jüngsten Vergangenheit.

Verantwortung Der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis wird seit 2003 alle zwei Jahre an Personen oder Initiativen verliehen, die durch ihr Handeln das Verantwortungsbewusstsein gegenüber Menschenrechtsverletzungen durch Völkermord, Vertreibung oder die bewusste Zerstörung nationaler, ethnischer oder religiöser Gruppen schärfen.

Die Auszeichnung ist benannt nach dem jüdischen Schriftsteller Franz Werfel (1890–1945), der in seinem Roman Die 40 Tage des Musa Dagh die Vertreibung der Armenier aus der Türkei und den Genozid schilderte. Aufgrund der NS-Herrschaft ging Werfel ins Exil und wurde 1941 amerikanischer Staatsbürger.

Zu den Preisträgern des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises gehören unter anderem die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, der ungarische Schriftsteller György Konrad und zuletzt die Bürgerrechtlerin, Autorin und Dokumentarfilmerin Freya Klier. epd/ja

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025