Rolling Stones

Masal tow, Mick!

Mick Jagger feiert heute seinen 75. Geburtstag. Israel-Boykottaufrufen zeigt er bis heute die kalte Schulter

von Alexander Lang  26.07.2018 15:40 Uhr

Lässig und cool: Mick Jagger und die Rolling Stones bei ihrem Auftritt im Hayarkon-Park in Tel Aviv (2014) Foto: dpa

Mick Jagger feiert heute seinen 75. Geburtstag. Israel-Boykottaufrufen zeigt er bis heute die kalte Schulter

von Alexander Lang  26.07.2018 15:40 Uhr

Der verbale Kinnhaken seines alten Kollegen Keith Richards saß. »In dem Alter kannst du kein Vater mehr sein. Die armen Kinder!«, stichelte der faltengesichtige Gitarrist der Rolling Stones in einem Zeitungsinterview. Mick Jagger, Sänger der Rolling Stones, war zu diesem Zeitpunkt, vor anderthalb Jahren, mit 73 noch einmal Vater geworden.

Zwar entschuldigte sich Keith Richards vor einigen Monaten für seinen Fauxpas, eine Sterilisation zu empfehlen (»Mann, das war völlig daneben!«). Und doch darf man sicher sein, dass sein flapsiger Spruch die Lippen des eitlen Entertainers Jagger kurz zucken ließen.

verführerisch Michael Philip Jagger, genannt Mick, wird heute 75. Und noch immer pflegt der »Leiter der bestverdienenden Band der Geschichte«, wie ihn sein Biograf Philip Norman nennt, das Image des ewig jungen und verführerischen Rockstars.

Der britische Sänger und Komponist, der am 26. Juli 1943 in Dartford in der Grafschaft Kent geboren wurde, ist eine lebende Legende. 1962 gründete er in London gemeinsam mit Kumpels die Band, deren erfolgreiche Mission es war, den Blues nach England zu bringen. Über mehr als ein halbes Jahrhundert lang formte der ehemalige Wirtschaftsstudent die Rolling Stones zu einem millionenschweren Rock-Unternehmen.

»Ich wäre lieber tot, als dass ich mit 45 noch ›Satisfaction‹ singe«, lautet ein berühmtes Zitat, das Jagger etwas unbedacht als 32-Jähriger von sich gab. Denn die Sucht nach Rampenlicht und Erfolg, dem Leben des Jetset und nach medialer Aufmerksamkeit treiben Jagger offenbar bis heute an.

Der erfolgreichste Titel des Songschreiber-Duos Jagger/Richards, »(I Can’t Get No) Satisfaction« (1965) reflektiert das Lebensgefühl des Sängers mit der englisch näselnden Stimme. Nie kommt er zur Ruhe, hüpft und tanzt – spindeldürr und sportlich wie eh und je – über die Bühnen dieser Welt.

selbstverliebt Mick Jagger gilt als schwieriger Charakter: Weggefährten und Biografen beschreiben ihn als selbstverliebten und leichtlebigen Egomanen im Fitnesswahn, der geschäftstüchtig, berechnend und auch kaltschnäuzig gegenüber Frauen ist.

Rastlos werkelt der Musiker, der zweimal verheiratet war und mittlerweile acht Kinder, fünf Enkel und einen Urenkel hat, an seinem persönlichen Erfolg. Und dieser ist trotz einiger beachtlicher Versuche als Solokünstler von dem Gesamtkunstwerk Rolling Stones nicht zu trennen. Jagger kann für sich beanspruchen, das einst verpönte Genre der Rockmusik im Laufe der Jahrzehnte gesellschaftsfähig gemacht zu haben. 2003 erhielt »Sir Mick« von Prinz Charles dafür gar den Ritterschlag.

Gegen die Widerstände seines Co-Komponisten und Freundes Keith Richards schliff er den rauen, im Blues wurzelnden Sound der Band. Er würzte scharfe Gitarren-Licks selbst mit Discorhythmen, wie bei dem Song »Miss You« (1978). Er ist verantwortlich für den kommerziellen Stadionrock für die breite Masse, der die Stones in den 70er-Jahren zur Supergruppe machte. Jagger und seine energiegeladene Bühnenpräsenz wurden zum Vorbild ungezählter Rocksänger.

Solo In den 80er-Jahren drohte die Band mit dem markanten Zungenlogo auch wegen Jaggers Soloausflügen auseinanderzubrechen. Vier Alben veröffentlichte er unter eigenem Namen mit gefälligem, modern-tanzbarem Rock.

1989 rauften sich Mick Jagger, die Gitarristen Keith Richards und Ron Wood, Schlagzeuger Charlie Watts und Bassist Bill Wyman wieder zusammen. Seither sind die gefühlt dienstältesten Rockmusiker – außer Wyman, der 1995 ausstieg – alle Jahre erneut mit ihrem großen Rock’n’Roll-Zirkus weltweit unterwegs.

2017 überraschte Jagger mit zwei neuen, politisch gefärbten Solosongs, in denen er die Themen Brexit, Flüchtlingskrise, Terror und politische Korruption vorsichtig anreißt. »Ich denke, die Botschaft ist, dass du trotz all der Dinge, die gerade geschehen, dein Leben weiterleben und du selbst sein musst«, äußerte er sich dazu schwammig. Biegsam wie Gummi und problemscheu sei der Ober-»Stone« stets gewesen, erinnert sich ein Schulfreund.

Israel Immerhin: Von den üblichen Anti-Israel-Boykottaufrufen will Mick Jagger sich nicht beeindrucken lassen. Allen unvermeidlichen Aktionen der antisemitischen BDS-Bewegung zum Trotz trat Jagger mit seinen Stones 2014 in Tel Aviv auf. Auch ein veritabler Shitstorm im Internet ließ Jagger kalt.

Das ausverkaufte Konzert im Hayarkon-Park war »das Event des Jahres«, wie die die israelische Presse schon Monate vorab schrieb. Und auch finanziell lohnte sich der Auftritt für die Rock-Band: Sie soll 6,7 Millionen Dollar für ihren Auftritt erhalten haben, der rund 70.000 Menschen in den Hayarkon-Park lockte. Über Politik fiel während des Konzertes kein Wort.

Kontrovers wurde es nur in Anschluss an das Konzert: Bar Refaeli und Mick Jagger? Nicht wirklich! Oder doch? Jedenfalls für den Geschmack von Adi Ezra, den Mann des israelischen Supermodels, waren sich die beiden bei der After-Show-Party in Tel Aviv viel zu nahe gekommen. Ausgelassen soll das Top-Modell mit dem Frontmann getanzt haben, was für Ezra offenbar zu viel des Guten war.

Augenzeugen berichteten damals, dass der Geschäftsmann seine Liebste daraufhin von der Tanzfläche zog, die das allerdings gar nicht lustig fand. Nach einem lautstarken Streit vor 150 Gästen – inklusive Jagger – verließen die beiden die Party getrennt und sollen seitdem nicht mehr miteinander gesprochen haben. Weder Refaeli noch Ezra äußerten sich zu der misslungenen Partynacht.

Berlin Heute genießt der Mittsiebziger Jagger mit seiner mehr als 40 Jahre jüngeren Freundin das Leben, so auch auf der aktuellen »No Filter«-Europatour, die die Rolling Stones Ende Juni nach Berlin und Stuttgart führte. Bis drei Uhr morgens habe Jagger nach dem Waldbühnen-Konzert im Berliner »KitKat«-Club mit seiner Freundin Melanie getanzt, berichteten die Hauptstadtmedien. Nach dem Stuttgart-Konzert ging es hingegen in ein nobles Wellnesshotel auf dem Land.

Momentan arbeiten die Rolling Stones an Songs für ein neues Album, über ein Ende der Band will Mick Jagger nicht nachdenken. »Es wird einen Punkt geben, an dem wir es nicht mehr tun wollen«, sagte er vor einigen Monaten der britischen »Sunday Post«. »Aber ich denke diesen Sommer nicht daran.«

Auf dem Traumpfad der ewigen Jugend wandelt der Stones-Frontmann weiter, solange es geht.

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024