Interview

»Man muss Regeln mögen«

»Mir reichen die sieben noachidischen Gebote«: Stefan Kuzmany Foto: Matthias Luedecke

Herr Kuzmany, in Ihrem neuen Buch »Das können Sie glauben!« haben Sie Weltreligionen im Selbstversuch auf ihren Gebrauchswert getestet. Wie hat das Judentum abgeschnitten?
Recht gut, würde ich meinen. Ich kann aber trotzdem nicht sagen, dass es wirklich empfehlenswert ist, Jude zu werden.

Warum nicht?
Weil der Gott der Tora sich schon einige Gemeinheiten für sein auserwähltes Volk ausgedacht hat.

Zum Beispiel?
Das muss ich Ihnen, glaube ich, nicht erklären. Das zieht sich durch die ganze Geschichte. Von Anfang an gab es Streitigkeiten untereinander, Streitigkeiten wurden von außen herangetragen. Das geht so bis heute.

Außerdem ist das Judentum anstrengend – 613 Ge- und Verbote.
Genau. Es ist ja völlig ausreichend für den Schöpfer, wenn man die sieben noachidischen Gebote befolgt. Man hat eigentlich keinen Vorteil davon, sich die anderen auch noch aufzuhalsen. Es wäre allen schon geholfen, wenn sich die Menschheit an die noachidischen Gesetze halten würde.

Nichtjuden müssen auch kein Hebräisch können, um zu beten.
Das traue ich mir sowieso nicht zu.

Sie bleiben lieber Christ.
Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt noch richtiger Christ bin. Ich war es mit Begeisterung in der Zeit nach meiner Konfirmation. Mit den Jahren ging das verloren. Das war auch meine Motivation, das Buch zu schreiben. Ich wollte gucken, was es an Glauben sonst noch sein könnte.

Wem würden Sie das Judentum denn empfehlen?
Den Juden natürlich. Die haben eh keine andere Wahl. So hat mir das auch Rabbiner Walter Rothschild gesagt: Warum soll man das alles auf sich nehmen, wenn man nicht sowieso schon dazugehört?

Trotzdem gibt es Menschen, die Juden werden wollen. Was sollten die Ihrer Erfahrung nach mitbringen? Zu welchem Typ passt unsere Religion?
Was ich gelernt habe, ist, dass die Leute, die sich wirklich ernsthaft für das Judentum interessieren, die jahrelang Unterricht nehmen und dann tatsächlich als Juden anerkannt werden wollen – denn konvertieren im eigentlichen Sinn kann man gar nicht –, dass das Menschen sind, die offenbar gerne viel lernen und ein gewisses Faible für Regeln haben.

Das Judentum ist also eine Religion für fleißige, lernbegierige Individuen. Mit anderen Worten: Ein Glauben für Nerds?
Und für Masochisten, denke ich manchmal.

Das Gespräch führte Michael Wuliger.

Von Stefan Kuzmany ist gerade erschienen: »Das können Sie glauben!«, S. Fischer, Frankfurt/Main 2011, 256 S., 9,99 €

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025