Nachrufhuth

Mal Hochhuth, mal Pumuckl

Imo Moszkowicz 1925-2011 Foto: cinetext

Nachrufhuth

Mal Hochhuth, mal Pumuckl

Zum Tod des Regisseurs Imo Moszkowicz

von Ulrich Schmidt  18.01.2011 14:11 Uhr

Sein Vater war ein russischer Schuster, der als Gefangener des Ersten Weltkriegs im münsterländischen Ahlen geblieben war. Dort kam Imo Moszkowicz 1925 zur Welt. Das Leben war schon vor 1933 nicht einfach, danach wurde es unerträglich. Dem Vater gelang die Ausreise zur Schwester nach Argentinien, die Familie, neben Imo noch sechs weitere Kinder, sollte mit der Mutter nachkommen. Für den 10. November 1938 hatten sie Tickets via Hamburg nach Argentinien. Doch dann kam die Pogromnacht. Die Familie wurde nach Essen zwangsumgesiedelt und von dort 1942 nach Auschwitz deportiert. Imo musste mitansehen, wie sein Bruder auf der Rampe erschossen wurde. Als Einziger überlebte er das KZ und kehrte nach der Befreiung zurück nach Ahlen.

zurück Warum die Rückkehr? Zum einen gab es eine Verabredung, »dass wir uns am ersten Sederabend nach dem Krieg in Ahlen bei unserer Tante Treschen treffen«. Zum anderen: »Wäre ich nicht an den Ort zurückgekehrt, wo ich mich zu Hause fühlte, hätte Hitler mich absolut besiegt.« Wieder in Ahlen, strengte Imo Moszkowicz einen Prozess gegen die Brandstifter der örtlichen Synagoge 1938 an. In der ersten Instanz wurden sie verurteilt, in der zweiten freigesprochen. Er hat daraufhin seiner Heimatstadt verbittert den Rücken gekehrt. Später hat er sich besonnen, ist immer wieder nach Ahlen gekommen. 2006 wurde er zum Ehrenbürger ernannt.

In Auschwitz hatte Imo Moszkowicz den Schauspieler Rolf Feldheim kennengelernt, der ihn für das Theater begeisterte. Er wurde Schauspieler erst in Warendorf, dann in Gütersloh, anschließend wechselte er ins Regiefach, wurde Assistent bei Gründgens in Düsseldorf und Kortner in Berlin. 1954 brachte er in Bielefeld seine ersten eigenen Inszenierungen heraus. Im Auftrag des Auswärtigen Amts reiste Moszkowicz danach nach Südamerika, um dort Theaterstücke zu inszenieren – »Heimwehtheater« für Emigranten, sowohl Juden, die vor dem Krieg gekommen waren, wie Nazis, die sich nach 1945 dorthin geflüchtet hatten. Dabei lernte er seine Frau Renate kennen, Tochter eines steirischen SS-Hauptsturmführers.

Zurück in der Bundesrepublik, begann eine außergewöhnliche Karriere: Schauspiel, Oper, Operette, vor allem im neuen Medium Fernsehen, von dem Moszkowicz gern sagte: »Ich habe das mit erfunden.«

zeuge Beim Frankfurter Auschwitzprozess 1964 war Moszkowicz als Zeuge geladen, verweigerte aber die Aussage. »Ich wollte nicht in einem Raum sein, nicht eine Luft mit denen atmen, die mich umbringen wollten.« Stattdessen lud er Richter und Staatsanwälte in seine Inszenierung des Hochhuth-Dramas Der Stellvertreter ein.

1983 gab es einen Karriereknick. Moszkowicz sollte in Bad Hersfeld inszenieren. Zur gleichen Zeit vergnügten sich dort die SS-Veteranen der HIAG. Ein Appell an den Hersfelder Bürgermeister fruchtete eben- so wenig wie ein Brief an Bundespräsident Carstens. Die Nazis durften bleiben, Imo Moszkowicz ging. Statt Arbeitsangebote brachte die Post Drohbriefe.

Imo Moszkowicz war oft in Israel. Er inszenierte dort Siegfried Lenz’ Drama Zeit der Schuldlosen, drehte einen Film über Theodor Herzl, arbeitete mit Esther und Abi Ofarim. Für seine Verdienste erhielt er von der Universität Jerusalem den Scopus Award, eine der höchsten Auszeichnungen, die Israel verleiht.

TV-serien Dem großen Publikum bekannt wurde Moszkowicz als Regisseur der TV-Kinderserien Kli-Kla-Klawitter und Pumuckl. Die drehte er quasi aus familiären Gründen. »Am Theater und beim Film ist es gelegentlich so, dass für eine Geliebte oder einen Freund oder so Produkte erzeugt werden – genau das habe ich für meinen Enkel getan.« Und er tat es, weil er mit den populären Serien in seine »gelegentliche künstlerische Heimat, das Unterhaltungstheater«, zurückkehren konnte – keineswegs wegen seiner tristen Vergangenheit, wie ihm das schon mal unterstellt wurde. Am 11. Januar 2011 ist Imo Moszkowicz in Ottobrunn bei München gestorben. Er wurde 85 Jahre alt.

Israel

Pe’er Tasi führt die Song-Jahrescharts an

Zum Jahresende wurde die Liste der meistgespielten Songs 2025 veröffentlicht. Eyal Golan ist wieder der meistgespielte Interpret

 23.12.2025

Israelischer Punk

»Edith Piaf hat allen den Stinkefinger gezeigt«

Yifat Balassiano und Talia Ishai von der israelischen Band »HaZeevot« über Musik und Feminismus

von Katrin Richter  23.12.2025

Los Angeles

Barry Manilow teilt Lungenkrebs-Diagnose

Nach wochenlanger Bronchitis finden Ärzte einen »krebsartigen Fleck« in seiner Lunge, erzählt der jüdische Sänger, Pianist, Komponist und Produzent

 23.12.2025

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025