Literatur

Lippenstift und Makkaroni

Ein neuer Band versammelt Vicki Baums Feuilletons erstmals in Buchform

von Alexander Kluy  29.01.2018 16:07 Uhr

Ironisch, kritisch, prägnant: Die Autorin und Schriftstellerin fing den Zeitgeist der Zwischenkriegszeit ein wie kaum eine andere. Foto: PR

Ein neuer Band versammelt Vicki Baums Feuilletons erstmals in Buchform

von Alexander Kluy  29.01.2018 16:07 Uhr

Die Komplimente waren doppeldeutig, um nicht zu sagen: männlich herablassend. So lobte der Verleger Joseph Caspar Witsch seine Bestsellerautorin Vicki Baum (1888–1960) für die Solidität ihrer Arbeit. Und F. C. Weiskopf, Kulturredakteur bei »Berlin am Morgen«, gratulierte Baum, die in den 20er-Jahren Magazinredakteurskollegin im Berliner Ullstein Verlag war, für die gekonnte Mischung aus Ironie und Rührung und den Einsatz sozialer wie erotischer Spannungselemente in ihren Büchern, die sich seit Erscheinen ihres Romans Menschen im Hotel (1929) weltweit millionenfach verkauften.

Das Schreiben auf den Effekt hin, das Formulieren auf Lese-, vor allem auf Leserinnenerwartungen hin, das hatte Baum bereits früh beim Schreiben von Kritiken und Feuilletons gelernt. Punktgenau zum 130. Geburtstag der in Wien geborenen Schriftstellerin sind nun Baums Feuilletons Makkaroni in der Dämmerung erschienen. 69 Texte, bisher nicht in Buchform vorliegend, enthält dieser Band.

hollywood Der erste Text stammt aus dem Jahr 1912, der letzte von 1941. Die Themen reichen von Musikkonzerten bis zur Neuen Frau, von Hochstaplern über Lippenstifte, Parfüms, Kitsch bis zu Tanz und Herrenmode. Am Ende finden sich reichlich distanzierte Texte über Amerika und die Traumfabrik Hollywood – für Baum, die an Drehbüchern mitarbeitete, ein Albtraumort. Sie leistete, wie sie schrieb, dort »Zwangsarbeit«, gut entlohnt zwar, aber kreativ endlos frustrierend.

Heutzutage keineswegs selbstverständlich ist, dass den durchaus unterhaltsamen, durchaus lesenswerten Feuilletons ein 25-seitiger Anhang, ein knapper, dabei informativer Kommentar plus Zeittafel, mitgegeben ist. Im Einleitungsessay der Wiener Germanistin Veronika Hofeneder vermisst man eine Analyse von Baums impressionistisch-duftigem Stil, der Zeitgebundenheit, des Jonglierens mit Klischees, der Wahl damals gängiger Sujets.

Neben den heute unkritisch kanonisierten Feuilletonisten Alfred Polgar, Walter Benjamin und Siegfried Kracauer gab es damals in Berlin, Wien und Prag eine Heerschar von Feuilletonisten, die in großen und kleinen Zeitungen, in Ossietzkys »Weltbühne« bis zu Stefan Großmanns »Tage-Buch«, schrieben und das Tempo, das Fluide und die flatternden Petitessen der Zwischenkriegsjahre einfingen – und sich dabei oft in der Dämmerung nicht einmal Makkaroni leisten konnten.

Vicki Baum: »Makkaroni in der Dämmerung«. Edition Atelier, Wien 2018, 320 S., 25 €

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024