»Gegen Judenhass«

Liebe ist alles

Oliver Polak Foto: Marco Limberg

Der gute, alte Antisemitismus – was wurde nicht schon alles darüber geschrieben! Judenhass von rechts, von links, von oben und von unten, und natürlich auch aus der Mitte – alles erforscht. Nun will sich auch Oliver Polak in die Anthologie des Antisemitismus einreihen und hat ein Buch mit dem Titel Gegen Judenhass geschrieben. Es bietet zwar keine akademische Betrachtung und ist auch nicht witzig (diese Ansprüche erhebt Polak auch nicht), passt dafür aber locker in jede Jogginghosen-Tasche.

Es ist ein sehr subjektives Buch, und es hat seine Stärken. Der Stand-up-Comedian Polak schildert darin erschütternde persönliche Erfahrungen: wie er als einziges jüdisches Kind im Provinzstädtchen Papenburg verbal wie physisch angefeindet wurde; wie später sein Dasein als Komiker und Jude – hierzulande keine Selbstverständlichkeit – für verstörende Reaktionen und ekelhafte Witze anderer Comedians sorgte. Jüdisch sein, das sei sein USP (»Unique Selling Point«, Alleinstellungsmerkmal), wurde ihm einmal gesagt, was ihn spürbar verletzt hat.

Vorbilder Dabei wolle er gar nicht als »jüdischer Komiker« verstanden werden, sagt Polak – wohl wissend, dass angesichts seines Bühnenprogramms (Ich darf das, ich bin Jude) der Vorwurf naheliegt, er spiele eben doch die Judenkarte. Seine Antwort: Sein Leben sei nun einmal Grundlage seiner Shows, genau wie bei seinen Vorbildern Trevor Noah oder Louis CK. Und es mache eben einen Unterschied, ob er über sein Jüdischsein spricht, oder ob andere ihn darauf reduzieren.

So weit, so nachvollziehbar und interessant. Die ersten 75 Seiten seines Buches sind übrigens schnell durchgeblättert – pro Seite steht meistens nur ein Satz. Polak nutzt sie, um den Leser mit kurzen Fragen direkt anzusprechen und zum Nachdenken zu bewegen, etwa mit »magst Du Juden?« – und er gibt Antworten.

Wer allerdings schon weiß, dass es sich bei Aussagen wie »Juden sind geldgierig« oder »Juden haben große Nasen« um Vorurteile handelt, wird darin nicht sehr viele originelle oder neue Gedanken finden, außer vielleicht diese zugegebenermaßen sehr schöne Formulierung: »Israel wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Panic Room für die übrig gebliebenen Juden gegründet.«

Rassismus Das Thema Antisemitismus nur so oberflächlich zu behandeln, hätte vielleicht noch seine Berechtigung gehabt. Doch leider vermasselt Polak sein Werk schließlich, indem er es in den letzten Kapiteln zu einem »Appell« macht, der sein eigentliches Thema verfehlt: »Stoppt den Hass, den Rassismus, Rapeculture, Flüchtlingsabscheu, Missbrauch, Vergewaltigung, Homophobie, den Rechtsextremismus«, schreibt er in seinem gefühligen Plädoyer – und lässt den Judenhass plötzlich einfach weg.

Ist wohl alles irgendwie das Gleiche, wird er sich gedacht haben. Und darum weiß Polak auch die Lösung für all diese Probleme und liefert dem Leser seine Handlungsanweisung gleich mit: »vorurteilsfrei auf den anderen zugehen«. Als gäbe es keine Antisemiten, die dennoch wunderbar mit ihren jüdischen Nachbarn auskommen – sogar dann, wenn sie mal doch geldgierig sind und große Nasen haben.

Wurzel allen zwischenmenschlichen Übels seien nämlich »Stereotype«, und seien sie noch so harmlos wie »Franzosen sind gute Liebhaber«. Dass ausgerechnet ein (ansonsten alles andere als politisch korrekter) Comedian das schreibt, ist so lustig und so originell wie Losungen auf Kirchentagen: »Jeder Mensch ist einfach ein Mensch«, »Hassen kann so anstrengend sein, Lieben dagegen leicht« und »Das Ende vom Menschenhass beginnt mit dir«.

Schullektüre In einem Interview äußerte Polak seinen Traum, dass sein Buch einmal Pflichtlektüre in den Schulen wird. Dass die Kultusminister aber wegen Sätzen wie »Habt keine Angst vor Ausländern, Flüchtlingen, Kanaken, Muslimen, Juden, Nordafrikanern, Burkaträgerinnen« in kollektivem Jubel ausbrechen und sich entschließen werden, Anne Frank im Schulprogramm gegen Oliver Polak auszutauschen, darf bezweifelt werden.

Letztlich ist Polaks Buch wie seine Jogginghosen: dünn und leicht, um schnell was Bequemes an zu haben, ohne sich viele Gedanken zu machen. Sie immer zu tragen, heißt aber auch, nie richtig angezogen zu sein. Vor allem darf man sich nicht wundern, wenn man dann nicht ernst genommen wird.

Oliver Polak: »Gegen Judenhass«. Suhrkamp, Berlin 2018, 127 S., 8 €

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  19.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Magdeburg

Telemann-Preis 2026 für Kölner Dirigenten Willens

Mit der Auszeichnung würdigt die Landeshauptstadt den eindrucksvollen Umgang des jüdischen Dirigenten mit dem künstlerischen Werk Telemanns

 19.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Kino

Unter erschwerten Bedingungen

Das »Seret«-Festival zeigt aktuelle israelische Filmkunst in Deutschland – zum ersten Mal nur in Berlin

von Chris Schinke  19.11.2025

Bonn

Bonner Museum gibt Gemälde an Erben jüdischer Besitzer zurück

Das Bild »Bäuerliches Frühstück« aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wird restituiert

 19.11.2025

Perspektive

Humor hilft

Über alles lachen – obwohl die Realität kein Witz ist? Unsere Autorin, die israelische Psychoanalytikerin Efrat Havron, meint: In einem Land wie Israel ist Ironie sogar überlebenswichtig

von Efrat Havron  19.11.2025

New York

Rekordpreis für »Bildnis Elisabeth Lederer« bei Auktion

Bei den New Yorker Herbstauktion ist wieder ein Rekord gepurzelt: Ein Klimt-Gemälde wird zum zweitteuersten je versteigerten Kunstwerk – und auch ein goldenes Klo wird für einen hohen Preis verkauft

von Christina Horsten  19.11.2025