Beatnik-Generation

Lawrence Ferlinghetti wird 100

Beatnik-Dichter Lawrence Ferlinghetti (r.) mit seinem Assistenten Mauro Aprile Zanetti im Zoetrope Cafe. Foto: dpa

Die Sehkraft hat stark nachgelassen, er trägt ein Hörgerät, doch mit fast 100 Jahren ist der Beatnik-Dichter Lawrence Ferlinghetti unverblümt, scharfsinnig und humorvoll. Und er teilt gegen Donald Trump aus. »Wir haben einen barbarischen Präsidenten«, sagte der Schriftsteller jüngst in einem Interview.

Gemeinsam mit Jack Kerouac und Allen Ginsberg war er Teil der Beatnik-Generation.

Pazifist »Dies sollte jedem Angst machen. Die Welt verändert sich so schnell, wir wissen nicht, was passieren wird«, mahnt der jüdische Pazifist mit portugiesisch-französischen Wurzeln, Denker und gefeierte Dichter, der in den 50er-Jahren mit seinen Beatnik-Kollegen Jack Kerouac und Allen Ginsberg die literarische rebellische Bewegung in der Westküstenmetropole San Francisco anführte.

Ferlinghetti, der am Sonntag 100 Jahre alt wird, beschreibt in seinem Gedicht Trump’s Trojan Horse ein Weißes Haus, aus dem Trumps Männer rausplatzen, um die Demokratie zu zerstören.

Zu seinem runden Jubiläum erscheint jetzt auch in Deutschland sein neuestes Buch Little Boy, Erinnerungen an sein Leben und Reflexionen über die Gesellschaft, die er im Beat-Stil als Gedankenfetzen zu Papier bringt. Es sind keine Memoiren, betont Ferlinghetti. Mit diesem Wort verbinde er eine »liebenswürdige« Schreibform.

D-Day Es ist ein bewegtes Leben: Kindheit bei einer Tante in Frankreich, als Soldat im Zweiten Weltkrieg im Pazifik und beim D-Day in der Normandie, Studium an der Sorbonne in Paris, dann nach San Francisco, wo er zu einer der zentralen Figuren der Beat-Bewegung wird.

»Für uns war es einfach Dichtkunst, die veröffentlicht werden musste.«Lawrence Ferlinghetti

Er gründet den legendären Buchladen und Verlag City Lights. Noch heute ist der historische Bookshop mit den alten Regalen und knarrenden Holzböden ein Treffpunkt für Intellektuelle und Poeten. Die Fassade des Buchladens, mitten im Italienerviertel North Beach, ist seit Jahren eine Reklamewand für Protest-Worte. Es sind riesige Banner mit der Aufschrift »Andersdenken ist nicht un-amerikanisch«, »Stoppt Kriege und Kriegstreiber«, oder »Stoppt Abschiebungen«.

Rausch Dort trug Allen Ginsberg 1955 sein berühmtes Gedicht Howl über Sex, Rausch und ein neues Lebensgefühl vor. Der explizite Text löste einen Skandal aus, die Staatsanwaltschaft befand das Gedicht als obszön.

Als Verleger wurde Ferlinghetti verklagt, doch er gewann den Prozess, der die Beatniks ins Rampenlicht rückte. »Ein mutiger Mensch und ein mutiger Poet«, sagte der Sänger Bob Dylan einmal über Ferlinghetti. Doch der wehrt ab. »Für uns war es einfach Dichtkunst, die veröffentlicht werden musste.«

San Francisco Zu seinem 100. Geburtstag sind zig Events geplant: Lesungen und Feiern in City Lights, Filmvorführungen, eine Ausstellung seiner Bilder. »Bis mein Augenlicht schlechter wurde, habe ich viel gemalt«, erklärt der graubärtige Ferlinghetti.

Der zweifache Vater will selbst nicht an den vielen Feierlichkeiten in San Francisco teilnehmen. Dafür sei er körperlich zu schwach, sagt sein Assistent Mauro Aprile Zanetti. Er ist beim Schreiben und auch bei Interviews behilflich, die Ferlinghetti nur noch telefonisch führt.

Die große Beachtung seines Schaffens zu seinem Jubiläum habe er nicht erwartet.

Am Telefon lacht er oft. »Das kann ich nicht verraten. Das ist eine Überraschung«, amüsiert er sich über die Frage, wie er denn seinen Geburtstag feiern werde. Die große Beachtung seines Schaffens zu seinem Jubiläum habe er nicht erwartet. »Ich war nur ein Hund, der aufmerksam durch die Straßen lief und alles um sich herum wahrnahm«, sagt der Dichter und Verleger. Sein Gedichtband A Coney Island of the Mind (1958), in über zwölf Sprachen übersetzt, ist bis heute ein Bestseller.

Ob er denn als Hundertjähriger noch jeden Tag schreiben werde? »Nein, aber vielleicht jede Nacht«, kontert Ferlinghetti. »Dies sind Zeiten, in denen man nachts schreiben sollte.«

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025