Architektur

Lärchenholz und Stahlbeton

Sukka in der Blumenhalle: Blick in den Akademiebau Foto: Linus Lintner

Das Jüdische Museum in Berlin wird vom eigenen Erfolg überwältigt: Seit seiner Eröffnung 2001 strömten schon acht Millionen Neugierige aus aller Welt in das dekonstruktivistische Haus im Bezirk Kreuzberg. Der Erfolg des Hauses liegt nicht zuletzt in der eloquenten Architektur seines Architekten Daniel Libeskind begründet. Folgerichtig vergab die Museumsleitung schon 2007 an ihn einen Folgeauftrag für die sukkaartige Überdachung des Innenhofes des barocken Kollegienhauses des Museums, um Platz für Veranstaltungen und Gastronomie zu schaffen. Jetzt ist auch das erweiterte Haus wieder zu klein geworden.

Ende November wurde deshalb auf der gegenüberliegenden Seite der Lindenstraße in einer ehemaligen Blumengroßmarkthalle die Akademie des Jüdischen Museums eröffnet. Insgesamt 11,8 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, davon wurden 7,5 Millionen Euro vom Bund finanziert, der Rest durch private Spender und von der Stiftung des Museums. Es lag auch diesmal nahe, Daniel Libeskind ohne Architekturwettbewerb mit dem Entwurf direkt zu beauftragen.

kuben Mit ihrem spitzwinklig-asymmetrischen, geneigten, verdrehten und verzerrten Eingangskubus geht das Akademiegebäude einen formalen Dialog mit dem gegenüberliegenden Museum ein. Die Stahlbeton-Skelett-Halle, 1965 von dem Berliner Architekten Bruno Grimmeck (1902–69) entworfen, bietet 6000 Quadratmeter Fläche, die von oben mittels Sheddächern mit Nordlicht versorgt werden.

Da die riesige ehemalige Blumenhalle unbeheizt und nicht gedämmt bleibt, hat Libeskind ein U-förmiges »Haus-im-Haus« eingefügt. Büros und Lagerräume sind an langen Fluren aufgereiht und konventionell. Um Tageslicht hineinzubringen, wurde die Fassade der Halle stellenweise aufgebrochen und verglast. Die gestalterische Aufmerksamkeit lag jedoch ganz auf den auffälligen, zackigen Einbauten: Drei schräge, gegeneinander geneigte Kuben, die unfreiwillig ebenfalls provisorisch sukkahaft wirken, dienen der Bibliothek des Museums mit 70.000 Bänden, als Auditorium mit 200 Plätzen und als Seminar- und Archivräume.

Zwischen den Boxen liegen unterschiedlich gestaltete Zwischenräume mit axialen Blickbezügen zum »Mutterschiff«, dem Jüdischen Museum auf der anderen Straßenseite. Die Fläche in der Hallenmitte wird – etwas bemüht – nach einem Entwurf des französischen Landschaftsarchitekturbüros atelier le balto zum »Garten der Diaspora« umgestaltet: Ab Februar sollen dafür vier Stahlplateaus bepflanzt werden. Auf dem Testbeet in der lichtarmen Halle gedeihen jedoch bisher nur Farne und Moose.

Ein Eingangswürfel signalisiert die Öffnung des Museums hin zu einem neuen Vorplatz, der von der Fassadeninschrift geprägt wird: An der Eingangsfassade des Baus steht ein Zitat von Moses Maimonides: »Höre die Wahrheit, wer sie auch spricht.« In das Foyer selbst sind sechs viereckige Oberlichter in Form der hebräischen Buchstaben Alef und Bet eingestanzt.

Die Fassaden der neuen Pavillons aus Lärchen-Holzlamellen erinnern an die Transportkisten, in denen die Nachlässe oft angeliefert werden, die Spender dem Museum bedacht haben. Fast 2000 dieser Schatzkisten hat das Haus bereits erhalten. Die letzte Generation der Holocaust-Überlebenden stirbt derzeit aus, viele Nachfahren wünschen sich deshalb einen Ort, an dem deren Nachlässe aufbewahrt und archiviert werden können. Auch diesem Zweck soll der Neubau dienen.

zweiter aufguss Daniel Libeskind ist durch sein 2001 eröffnetes Berliner Opus Magnum zum international gefragten Architekten geworden. Seither hat er Projekte in aller Welt entworfen, deren Formen an das für das Berliner Museum entwickelte Formenvokabular erinnern – allerdings, ohne dessen intellektuelles Niveau je wieder erreicht zu haben. Das gilt leider auch für den Berliner Akademie-Neubau, der architektonisch nur wie ein müder zweiter Aufguss des Meisterwerkes gegenüber wirkt. Fast scheint es, als sei Libeskind zum Opfer seines eigenen Erfolges geworden.

Die wahre Qualität des Projektes und der Gewinn für Berlin liegen im Städtebau. Das frühere Parkdeck um die Halle wurde entfernt, die Mauer zur Lindenstraße hin abgerissen und die Halle so freigelegt. Die Flächen rund um die neue Akademie werden in Zukunft bebaut. Die unterbrochene Verbindung der Enckestraße zur Lindenstraße soll als Fußgängerpassage wiedereröffnet und die Einmündung dieser Promenade in die Lindenstraße durch Neubauten gerahmt werden.

Die so entstehende Platzfläche bildet dann das Entrée zur Akademie. Die städtebauliche Einbindung und die Gestaltung des Umfeldes werden von dem Berliner Büro bbzl – böhm benfer zahiri geplant. Die Gestaltung der öffentlichen Räume stammt vom Büro Rehwaldt Landschaftsarchitekten. So wird die Akademie, wenn sie Ende Januar für die Öffentlichkeit zugänglich wird, nicht nur programmatisch eine Schnittstelle zwischen Museum und Gesellschaft werden. Der Museumskomplex wird weit besser als bisher in den städtebaulichen Kontext der südlichen Friedrichstadt Berlins eingebunden sein.

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