Porträt

Lady am Klavier

»Ich mache gern Dinge, vor denen ich Angst habe«: Annette Yashpon Foto: Gregor Zielke

Porträt

Lady am Klavier

Sängerin, Pianistin, Moderatorin: Die Berliner Britin Annette Yashpon

von Jonathan Scheiner  06.05.2013 19:41 Uhr

Annette Yashpon kann sich nicht entscheiden. Warum sollte sie auch? Wo andere in nur einem Fach wirklich gut sind, kann die in Berlin-Prenzlauer Berg lebende Engländerin immer mit einer Alternative aufwarten: Sie ist Sängerin, spielt Klavier und arbeitet als Moderatorin. Oft bringt sie alle drei Berufe auf ein und derselben Veranstaltung unter einen Hut. Und jetzt steht sie möglicherweise vor einem Karrieresprung. Bei der Gala des Internationalen Deutschen Turnfests in Mannheim am 19. und 20. Mai wird Annette Yashpon einen »klitzekleinen Auftritt vor 10.000 Leuten«haben.

Zu diesem Highlight haben viele verschlungene Wege geführt. Einer davon geht zurück in die Kindheit im nordenglischen Leeds, wo Annette als vierjähriges Mädchen anfängt, Klavier zu üben. »Wenn andere Kinder nach der Schule gespielt haben, bin ich als braves jüdisches Mädchen nach Hause gegangen und habe Klavierunterricht gehabt.« So erfolgreich, dass sie später an der Londoner Royal Academy of Music Piano studierte.

Dass aus der Musik zunächst kein Beruf wurde, hat damit zu tun, dass Annette Yashpon noch einen anderen Studiengang belegte: Sprachen, konkret Französisch und Deutsch. »Ich dachte, ich muss auch was ›Vernünftiges‹ machen, und Musik war immer nur ein Hobby für mich. Das mit dem Deutsch- und Französischstudium war eher zufällig. Es gab auf unserer Schule nur Altgriechisch, Latein, und eben Französisch und Deutsch. Ich dachte, das sei praktisch für mein späteres Leben.« Und so spülte es die junge Studentin zunächst ins französische Tours und dann ins bayerische Regensburg: »Wunderschön!«

familie Die Toleranz von Annette Yashpons Familie wurde allerdings in der Folge auf eine harte Probe gestellt. »Meine Großeltern hatten wirklich ein großes Problem damit, dass ich nach Deutschland ging und dann auch noch einen deutschen Freund hatte.« Harter Tobak für eine Familie, in der die traditionellen jüdischen Werte groß geschrieben wurden. Von Enterbung war gar die Rede.

Das ist inzwischen längst vom Tisch. Annettes Familie hat Frieden geschlossen mit der philogermanischen Tochter. »Dass mein Freund katholisch ist , ist kein Problem mehr. Meine Eltern sind inzwischen der Meinung, dass das Wichtigste im Leben Glück und Gesundheit ist.« Kein einfacher Schritt, besonders für ihren Vater, einen Zahnarzt, der sich sehr stark mit seinem Judentum identifiziert. »Meine Eltern haben mir gezeigt, was wahre Liebe ist.«

Um während des Studiums in Regensburg ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, kellnerte Annette Yashpon in Kneipen und spielte Klavier. »Pro Abend dreimal für eine halbe Stunde, für sage und schreibe 150 Mark.« Später wurde sie Stewardess bei der größten deutschen Fluglinie. Das war zwar deutlich lukrativer, machte sie aber auch nicht glücklich. Also der nächste Wechsel. »Die nächsten zehn Jahre habe ich dann versucht, im Filmgeschäft Fuß zu fassen. Als Cutterin, Drehbuchautorin, Schauspielerin und Regisseurin. es hat aber alles nicht so schnell geklappt, wie ich es mir vorgestellt hatte.«

Irgendwann kam das Angebot, eine Moderation bei einer Firmengala zu übernehmen. Was zunächst wie eine Möglichkeit schien, leicht Geld zu verdienen, wurde in der Folge zum Beruf. »Das war wie eine Erweckung. Dort hatte ich sofort Erfolg. Sofort kamen weitere Anfragen. Und jetzt bin ich gar nicht so unglücklich, aus dem Filmbusiness raus zu sein.«

alben Stattdessen jetzt der Auftritt in Mannheim. Noch kommt das Publikum nicht wegen Annette Yashpon – aber vielleicht ändert sich das ja bald. Die meisten Songs ihrer nächsten CD sind schon fertig, dabei ist das aktuelle Album gerade einmal ein Jahr alt. Es heißt Never Again & Always. Ballads of Passion and Desire. Darauf neun Songs, bei denen sich die Sängerin auf dem Klavier selbst begleitet.

Eine völlig neue Erfahrung bei diesem Album war für Annette Yashpon, sich der öffentlichen Kritik auszusetzen. Bislang hatte die Engländerin ihre CDs immer nur im Zusammenhang mit ihren Moderationen an Geschäftskunden verkauft. »Aber ich wollte unbedingt eine offizielle Record-Release-Party machen, denn du weißt ja nie, wie die Songs vor Publikum wirken. Ich mache gerne Dinge, vor denen ich Angst habe. Vor Haien hatte ich auch Angst, also habe ich einen Tauchkurs mit Haien gemacht.« Und nach Deutschland ist sie ja schließlich als jüdische Engländerin vor 20 Jahren auch gezogen.

www.yashpon.com

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