documenta

Kritik für umstrittene Kuratoren

Seit Monaten steht die documenta15 wegen antisemitischer Kunst in der Kritik. Foto: IMAGO/Rüdiger Wölk

Die jüngsten Diskussionen um Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta fifteen in Kassel nehmen einen schärferen Ton an. Während sich die Findungskommission für die Künstlerische Leitung der Weltkunstschau hinter das indonesische Kuratorenkollektiv ruangrupa und die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler stellt, hagelt es erneut Kritik vom hessischen Antisemitismusbeauftragten.

»Der von Medien und Politiker*innen auf das gesamte Team der documenta fifteen ausgeübte Druck ist unerträglich geworden«, teilte die achtköpfige Findungskommission am Donnerstag mit. Das Gremium, zu dem unter anderem der belgische Kunsthistoriker Philippe Pirotte, der britische Museumsdirektor Charles Esche sowie die Gründungsdirektorin des Centre for Contemporary Art in Singapur, Ute Meta Bauer, zählen, wolle mit seiner Stellungnahme dessen harte Arbeit und außerordentliches Engagement verteidigen.

instrumentalisierung »Wir lehnen Antisemitismus ebenso ab wie dessen derzeitige Instrumentalisierung, die der Abwehr von Kritik am Staat Israel und seiner derzeitigen Besetzungspolitik palästinensischer Gebiete dient«, betonte das Gremium. Gleichzeitig begrüße es »den Pluralismus der documenta fifteen und die Möglichkeit, erstmals eine solche Vielfalt künstlerischer Stimmen aus der gesamten Welt zu hören«.

Die Künstlerischen Leitungen der documenta werden alle fünf Jahre von der Findungskommission bestimmt. Für die 15. Ausgabe fiel mit ruangrupa erstmals die Wahl auf ein Künstlerkollektiv statt auf eine Einzelperson. Die Künstlergruppe will nach eigenem Bekunden dem »globalen Süden« eine Stimme geben.

Die documenta fifteen wird schon seit Monaten von Antisemitismus-Vorwürfen begleitet.

»Wir verteidigen das Recht der Künstler*innen, politische Formeln und festgefahrene Denkmuster zu untersuchen, bloßzulegen und zu kritisieren. Dieses Recht sollte auch von jenen wertgeschätzt werden, die Ausstellungen wie die documenta fifteen ermöglichen«, erklärte nun die Findungskommission. Wie auch schon während der gesamten Phase der Entwicklung und Realisierung der Ausstellung stehe man ungebrochen hinter der Entscheidung, ruangrupa für die Künstlerische Leitung ausgewählt zu haben.

expertengremium Die documenta fifteen wird schon seit Monaten von Antisemitismus-Vorwürfen begleitet. Zu deren Aufarbeitung hatten die Gesellschafter der Schau, die Stadt Kassel und das Land Hessen, ein Expertengremium berufen. Dieser Beirat sowie die Gesellschafter hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, einen umstrittenen propalästinensischen Propagandafilme nicht mehr zu zeigen, zumindest bis eine angemessene Kontextualisierung vorgenommen werde.

Ruangrupa sowie die Geschäftsführung der documenta hatten diese Forderungen zurückgewiesen. Ruangrupa warf dem Expertengremium zudem Rassismus und Zensur vor.

Das Expertengremium sowie die Gesellschafter hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, einen umstrittenen propalästinensischen Propagandafilme nicht mehr zu zeigen.

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, forderte angesichts dessen am Donnerstag die sofortige Schließung der noch bis zum 25. September laufenden documenta. Zudem verlangte sie die Rückforderung der über die Kulturstiftung des Bundes als Mittelgeber an die Ausstellung geflossenen 3,5 Millionen Euro. Der eingesetzte Expertenrat sei offenbar ein Feigenblatt, sagte die CSU-Politikerin laut Mitteilung. »Er wird ignoriert. Der Skandal geht einfach weiter.« Das Maß sei voll.

Auch Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker kritisierte die Kuratoren und die Geschäftsführung der documenta scharf. Sie schienen sich der Dimension ihres Fehlverhaltens nicht bewusst zu sein, sagte er laut Pressemitteilung. Das Expertengremium der documenta sei ganz unmissverständlich zu der sehr klaren Bewertung gekommen, dass die umstrittene Filmreihe mit den Kommentaren der Künstlerinnen und Künstler terrorismusverherrlichende Propaganda sei und sofort gestoppt werden müsse.

Wenn sich die Ausstellungsleitung noch immer weigere, dieser inzwischen auch von den Gesellschaftern erhobenen Forderung nachzukommen, »dann lässt sie vorsätzlich die öffentliche Verbreitung von Terrorismusverherrlichung zu«, erklärte Becker. Er könne sie nur davor warnen, dies auch nur einen Tag länger fortzusetzen, da sie sich damit möglicherweise strafrechtlich relevant verhalte. dpa

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert