Ein weiblicher Akt des Malers Egon Schiele (1890-1918) muss womöglich das Kölner Museum Ludwig verlassen. Die Beratende Kommission, die sich mit der Rückgabe von Kulturgütern aus einstmals jüdischem Besitz befasst, empfiehlt der Stadt Köln die Rückgabe des Aquarells an die Erben des österreichischen Kunstsammlers Heinrich Rieger.
Stadt Der Beschluss zum Umgang mit dem Aquarell »Kauernder weiblicher Akt« aus dem Jahr 1917 sei einstimmig gefällt worden, teilte die Kommission unter dem Vorsitz von Hans-Jürgen Papier am Montag in Berlin mit. Der Stadt Köln wurde eine dreimonatige Frist eingeräumt, um weitere, erst kürzlich bekanntgewordene Archivhinweise, mit bewerten zu können.
Die Stadt Köln als Trägerin des Museum Ludwigs betonte am Montag, dass sie der Entscheidung der Kommission folgen wolle. Zwar habe trotz umfangreicher Forschungen vonseiten der Stadt und der Antragsteller nicht abschließend ermittelt werden können, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen Heinrich Rieger das fragliche Werk verloren oder abgegeben habe.
Erörterung Doch seien Stadt und Museum dankbar für die ausführliche Anhörung beider Parteien und für die Erörterung des Falles durch die Beratende Kommission, erklärten am Montag die Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach und Museumsdirektor Yilmaz Dziewior.
Der Wiener Zahnarzt und Kunstsammler Heinrich Rieger, der 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden war und dort starb, hatte nach Angaben der Kommission über Jahrzehnte eine bedeutende Sammlung zeitgenössischer Kunst aufgebaut. Den »Kauernden weiblichen Akt« hatte er vermutlich vom Künstler und Patienten Schiele selbst erhalten.
NOTVERKÄUFE Nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 waren Rieger und seine Familie wegen seiner jüdischen Abstammung schwerster Verfolgung ausgesetzt, wie die Kommission erklärte. Riegers Kunstsammlung ging durch Notverkäufe und »Arisierungen«, also durch gezielte Aufkäufe vonseiten »arischer« Kunsthandlungen und Händler, praktisch vollständig verloren. Dziewior dankte der Erbengemeinschaft für ihre Geduld, die seit 2016 die Rückgabe des Werks beansprucht.
Mit der nun empfohlenen Rückgabe des Werks an die Familie sei nun eine gerechte und faire Lösung absehbar. Mit Zuversicht werde nun auch die Entscheidung des Rates der Stadt Köln am 23. März erwartet. Laugwitz-Aulbach erklärte: »Am heutigen Tage hoffe ich jedoch, dass wir uns mit der Empfehlung zur Rückgabe einer Gerechtigkeit annähern, soweit dies eben möglich ist.«
GESAMTBEWERTUNG Das Bild war 1965 in den Besitz von Walter Geyerhahn gelangt, der es über den Wiener Kunsthändler Christian M. Nebehay an die Schweizer Kunsthändlerin Marianne Feilchenfeldt verkaufte. Feilchenfeldt verkaufte es 1966 für 18.000 DM an die Freunde des Wallraf-Richartz-Museums in Köln mit den Provenienzangaben »Sammlung: Dr. H. Rieger, Wien« und »W. Geyerhahn«.
Die Gelder brachte die Stadt Köln auf. Seit 1976 wird das Aquarell vom Museum Ludwig Köln verwaltet. Die Berliner Kommission begründet ihre Empfehlung zur Rückgabe des Aquarells an die Erbengemeinschaft damit, dass aus ihrer Gesamtbewertung das Werk nicht aus freien Stücken verkauft wurde, sondern es sich typischerweise um einen NS-verfolgungsbedingten Verlust handelt. epd