Kino

Klezmer und Kamele

Der Ultraorthodoxe Benjamin (Luzer Twersky) trifft in der ägyptischen Wüste den Beduinen Adel (Haitham Omari). Foto: Ludwig Sibbel enigma Film

Einen Film im »Sommerloch« zu platzieren, ist nicht einfach. Schwieriger noch, wenn der Spagat zwischen Unterhaltung und ernsten Themen versucht wird, wie interreligiöse Verständigung oder Nahostkonflikt. Die Regisseure Peter Keller und Stefan Sarazin haben es mit ihrer Komödie Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie gewagt. Und nimmt man die vielen positiven Rezensionen, scheinen Keller und Sarazin das Kunststück geschafft zu haben.

Leider kann aber nur eine oberflächliche Wahrnehmung zu diesem Schluss führen. Ein tieferer Blick in die Darstellungsweise führt eine andere Sicht auf den Film zutage: Als Komödie, deren typisierte Figuren für größere Zusammenhänge stehen, schafft es der Film nicht, Stereotype aufzubrechen – im Gegenteil: Sie werden sogar noch verstärkt.

ALEXANDRIA Der Plot lässt sich knapp zusammenfassen: Der Ultraorthodoxe Benjamin (Luzer Twersky) aus New York erklärt sich bei dem Besuch seines Onkels in Jerusalem dazu bereit, als zehnter Mann den Minjan beim Pessachfest der jüdischen Gemeinde in Alexandria zu vervollständigen. Diese wird nämlich, sollte sie nicht mehr imstande sein, Pessach zu feiern, von den ägyptischen Behörden aufgelöst.

Auf seiner Reise über den Landweg wird er vom Busfahrer in der ägyptischen Wüste ausgesetzt. Dort trifft er auf den Beduinen Adel (Haitham Omari). Dieser ist auf der Suche nach seinem entlaufenen Kamel und nimmt ihn mit.

Es folgt eine beschwerliche Reise durch die Wüste, in der sich die zwei Hauptfiguren annähern und schließlich schicksalshaft verbinden. Dem Film ist zugutezuhalten, dass er das wichtige Thema der geschichtsträchtigen jüdischen Gemeinde in Ägypten aufgreift, wenngleich das Publikum von dessen Geschichte und den heutigen Begebenheiten nichts erfährt.

Alle Figuren werden bereits höchst typisiert eingeführt.

Alle Figuren werden bereits höchst typisiert eingeführt: die ägyptische Gemeinde zu orientalischer Musik, während Benjamins Eingangsauftritt mit Klezmer unterlegt ist. Auch im weiteren Verlauf greift der Film auf simplifizierte Darstellungen und einfache Charakterzeichnungen zurück. Die Ägypter sind – bis auf einzelne Ausnahmen – vor allem von Kamelen umringte traditionelle Beduinen.

Neben solchen Orientalisierungen werden sie zudem als konstante Bedrohung für Juden dargestellt. So echauffieren sich die Verwandten von Adel lautstark darüber, dass er sich Benjamins annimmt. Schließlich steckt einer der Verwandten Adel sogar einen Dolch zu. Der Antisemitismus in der ägyptischen Gesellschaft hätte durchaus in einer dem Thema entsprechenden Art und Weise aufgegriffen werden können. Die Karikierung der Ägypter als barbarische, aggressive und bedrohliche Antisemiten, die zudem immer laut streiten, wird dem nicht gerecht.

Frauenbild Besonders problematisch ist auch das Frauenbild, das in dem Film vermittelt wird. Frauen sind den männlichen Figuren stets an die Seite gestellt und treten dabei ausschließlich als Mütter, Köchinnen und Objekte der Begierde auf. Das Publikum erfährt nichts über sie, Sprechanteile sind Mangelware, und wenn, dann bleiben sie in rollentypischen Klischees verhaftet, etwa als Benjamins Tante in Jerusalem ausruft: »Aber du hast ja noch gar nichts gegessen!«

Der Film macht sich nicht die Mühe, auf die verschiedenen Lebensrealitäten von Juden und Jüdinnen einzugehen.

In der Wahl des orthodoxen Juden als Protagonisten greift der Film auf die einfachste Darstellung »des Jüdischen« zurück. Der Jude, der ohne viel Erklärung als solcher visuell erkennbar ist. Der Film macht sich nicht die Mühe, auf die verschiedenen Lebensrealitäten von Juden und Jüdinnen einzugehen. Benjamin bleibt exemplarisch für das Judentum stehen. Als Städter, der sich von der Natur komplett entfremdet hat, ist er zudem Sinnbild des »schwachen Diasporajuden«. Sein Festhalten an den religiösen Vorschriften in lebensbedrohlichen Situationen in der Wüste verstärkt dieses Bild und lässt ihn lebensfremd erscheinen. 

Zu allem Überfluss sprüht »Nicht ganz Koscher« vor christlicher Symbolik. Höhepunkt des Films bildet das »letzte Abendmahl« der Protagonisten. In ihrer schwersten Stunde finden sie Rettung in einem griechisch-orthodoxen Kloster. Es ist eine naive Blickrichtung des Films: Die christliche Nächstenliebe als Heilsversprechen, das die so zerstrittenen Religionen zusammenbringen wird. Davon zeugt auch das klischeehafte Happy End: Benjamin und Adel sind ihrer Leidenschaft fürs Essen gefolgt und betreiben nun zusammen ein Restaurant in der Wüste. Benjamin trägt T-Shirt und ist zumindest an seiner Kleidung nicht mehr als orthodoxer Jude erkennbar. Seine Orthodoxie wirkt wie eine Maske, eine Verkleidung. Dies wird besonders deutlich, als Benjamin krank wird und Adel kurzerhand diese »Maske« aufsetzt und Benjamins Kleidung anzieht, um als vermeintlicher Neffe aus Brooklyn beim Minjan zu posieren.

Ansatz Die Regisseure haben in einem Interview betont, sie hätten »bewusst keinen realistischen Ansatz« gewählt. Dieser Ansatz würde für Menschen, die in diesem Konflikt steckten, vermutlich »eher naiv« wirken. Ein ernsthafter Umgang mit komplexen Lebensrealitäten und differenziertere Charakterzeichnungen sollten dennoch nicht zu viel verlangt sein.

Dass dieser Film mit seinem voyeuristischen Blick auf zwei »fremde« und »exotische« Kulturen dennoch ein Erfolg werden wird, sagt am Ende mehr über die Sehgewohnheiten und Erwartungshaltungen des deutschen Publikums aus als über Juden oder Beduinen.

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