Interview

»Keine Geschmacklosigkeit ausgelassen«

Herr Broder, am Sonntagabend läuft in der ARD die neue Staffel Ihrer Sendung an. Wo waren Sie diesmal?
Hamed, Wilma und ich waren diesmal auf Europa-Safari. In Florenz haben wir mit einer brasilianische Nonne rumgemacht, im Straßburger EU-Parlament mit Bürokraten geredet und in Kalabrien mit rumänischen Prostituierten gesprochen. Die Schnittmenge zwischen den beiden letztgenannten Gruppen war übrigens ziemlich groß.

Haben Sie die Seele Europas gefunden, wie es in der Ankündigung der Serie heißt?
Leider nicht. Stattdessen haben wir den Kopf, das Herz und den Arsch Europas lokalisieren können. Der Kopf ist die EU in Straßburg und krankt eindeutig: ein riesiger Wasserkopf, der zu 90 Prozent damit beschäftigt ist, sich selbst zu verwalten. Die Kaste der Eurokraten ist sozusagen der neue Adel Europas. Das Herz ist ganz klar Polen, dort spielt das Leben. Kalabrien hingegen ist der Arsch Europas, eine vollkommen vernachlässigte und verarmte Gegend, in der die öffentliche Hand Milliarden von Euros sinnlos verballert.

Sind Ihnen auch wieder Antisemiten, Weltverschwörungstheoretiker und andere Spinner begegnet?
Nicht einmal in Polen. Man kann sich offenbar auf nichts mehr in der Welt verlassen. Hamed und ich waren sehr enttäuscht. Trotzdem haben wir auch dieses Mal keine Geschmacklosigkeit ausgelassen.

Stichwort Geschmacklosigkeit: Sie haben auch die Gedenkstätte Auschwitz besucht. Ist an einem solchen Ort Satire nicht fehl am Platz?
Nein, der Ort ist Satire an sich.

Nicht, wenn man an die unzähligen in Auschwitz ermordeten Juden denkt.
Die Ausstattung des Ortes und die Präsentation der Gedenkstätte ist reine Realsatire. Dort stellt man mit einem gewissen Stolz fest, dass Auschwitz der Ort ist, an dem das vereinigte Europa geboren wurde. Wenn das keine Satire ist, was ist es dann? Die toten Juden können sich damit trösten, den Grundstein für ein friedliches Europa gelegt zu haben.

Sehen Sie nach Ihrer Europa-Expedition Deutschland mit anderen Augen?
Deutschland ist das Euro-Musterland. Auch hier sind die Deutschen wieder einmal Weltmeister. Nirgendwo sonst wird die EU so wenig in Frage gestellt wie in Deutschland. Wie unsere Kanzlerin immer so schön sagt: »Europa ist alternativlos.«

Gibt es eigentlich irgendetwas, das sämtlichen EU-Ländern gemein ist?
Nein, das ist ja das Tolle. Bis auf die geografische Positionierung ist jedes Land verschieden. Es gibt nicht das eine Europa, es gibt 500 Millionen verschiedene Vorstellungen davon. Allerdings sind die EU-Bürokraten verzweifelt dabei, Europa unter einen Hut zu bekommen und uns mit Phrasen wie »Vielfalt in der Einheit« zu betäuben.

Sie haben Deutschland und Europa bereist. Was kommt als Nächstes? Eine Welt-Safari?
Nein, jetzt ist erst einmal Schluss mit dem Reisen. Wir bleiben daheim und wehren uns redlich. Wenn überhaupt, filmen wir noch einmal auf Island – schon allein, um Hamed zu ärgern. Das war meine Rache dafür, dass Hameds Vorfahren uns aus Ägypten vertrieben haben.

»Entweder Broder – Die Europa-Safari!«. Das Erste, Sonntag, 18. November, 23.50 Uhr

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert