Neuerscheinung

Keine Bombe, nirgends

Buchautor Michael Lüders Foto: imago

Unbefangen ist der Umgang der deutschen Öffentlichkeit mit Israel und der jüdischen Welt noch lange nicht, kann es wohl auch nicht sein. Dass das für die israelische Sicht auf Deutschland wenigstens genauso gilt, ist noch viel verständlicher. Die Verurteilung des Gedichtes von Günter Grass zum seiner Meinung nach drohenden Angriff Israels auf den Iran ist ein Beweis für die Heftigkeit der Reaktion auf eine aus offizieller israelischer Sicht unvertretbare Kritik aus deutschem Munde.

Mitten in dieser Debatte veröffentlicht der Islamwissenschaftler Michael Lüders sein im Grundtenor mit Grass übereinstimmendes Buch Iran: Der falsche Krieg. Seine Hauptthesen lauten zusammengefasst: Der Iran verfügt über keine Atombombe und strebt seit 2003 ihre Herstellung auch nicht mehr an.

Alle gegenteiligen Behauptungen hätten den gleichen Wahrheitsgehalt wie die über die Massenvernichtungswaffen des Irak. Israel hingegen bereite einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf den Iran vor. Eine starke jüdisch-israelische Lobby schwöre in den USA alle Präsidentschaftskandidaten auf eine Billigung dieses »Erstschlags« ein.

Ein solcher Krieg könne weder militärisch noch politisch gewonnen werden. Die Folgen für den Westen wären verheerend, eine weitere Explosion des Ölpreises inbegriffen. Israel verstoße überdies mit seiner Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten sowohl gegen das Völkerrecht als auch gegen die Menschenrechte.

mainstream All diese Thesen sind nicht neu. Sie werden in der Weltöffentlichkeit diskutiert, in Israel, in den USA und in Deutschland werden sie von der Mehrheit der veröffentlichten Meinung nicht geteilt. Deshalb müssen sie nicht falsch sein. Lüders kann sich für seine Thesen jedoch meistens nur auf vom politischen und publizistischen Mainstream abweichende Meinungen stützen und beklagt ebendiesen, seiner Ansicht nach unter israelisch-jüdischem Meinungsdruck entstandenen Mainstream.

Was in einer solchen Situation nottäte, wäre eine auf vertrauenswürdige Quellen gestützte Bewertung. Alle diese in zeitgeschichtlichen Analysen naturgegebenen Unsicherheiten verbieten es einem politikwissenschaftlich argumentierenden Autor, den Mund zu voll zu nehmen. Lüders hingegen schreibt sein Buch im Ton eines – für eine aus seiner Sicht existenzielle und gute Sache – engagierten Propagandisten für die iranische beziehungsweise arabische Seite mit scharfen Worten gegen die gegenwärtige israelische und amerikanische Politik.

So kritisiert er die von manchen westlichen »Kriegsapologeten konstruierte Todessehnsucht iranischer Schiiten« als »Vogelscheuche aus dem Fundus der Islamophobie«. Als ob nicht Selbstmordattentate das Leben Unschuldiger nicht nur in Israel täglich bedrohen. Solche Kraftausdrücke machen das Buch manchmal schwer erträglich, stehen einem Appell zur Rückkehr zur Vernunft eher im Wege und sind jedenfalls kein Beitrag zur verbalen Abrüstung in gefährlichen Zeiten.

Michael Lüders: »Iran: Der falsche Krieg. Wie der Westen seine Zukunft verspielt.« C.H. Beck, München 2012, 208 S., 14,95 €

Glosse

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken? Ein Gedankenexperiment

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025