»Seret«

Kampfgeist und Eskapismus

Der Eröffnungsabend des Festivals in Berlin stand unter Polizeischutz. Foto: Rolf Walter

»Propalästinensische« Proteste, Graffiti gegen »Artwashing« und Boykottaufrufe: Nicht nur in London hatte das internationale israelische Filmfestival »Seret«, das seit 2012 Spiel- und Dokumentarfilme aus Israel nach Europa bringt, dieses Jahr einen schweren Stand. Film-Altmeister wie Mike Leigh und Ken Loach machten Stimmung gegen Seret, das in Großbritannien im Mai 2024 veranstaltet wurde.

Laut einem Bericht des »Guardian« sagte Loach, es sei »einfach inakzeptabel«, dass das Londoner Phoenix-Kino dem israelischen Festival Platz biete, und zog gemeinsam mit Leigh die Schirmherrschaft über eines der ältesten Lichtspielhäuser Großbritanniens zurück.

»Starke Gemeinschaft, die an die Kraft der Kultur glaubt«

In Berlin eröffnete die deutsche Ausgabe des Festivals am Montagabend im Rahmen der Kulturtage der Jüdischen Gemeinde unter Polizeischutz, vor der Tür des Kinos in der Kulturbrauerei stand ein Mannschaftswagen. Zu Zwischenfällen kam es nicht.

Die Co-Gründerin und Geschäftsführerin des Festivals, Odelia Haroush, bedankte sich bei den Zuschauern im fast vollen großen Kinosaal: »Wir sind stolz, dass Sie hier an unserer Seite sind.« Das diesjährige Festival erzähle »die Geschichte einer starken Gemeinschaft, die an die Kraft der Kultur glaubt, um Konflikte zu überwinden«. Eine diverse Community mit offenem Geist müsse zusammenstehen gegen Boykott-Forderungen und Drohungen, unterstrich Haroush.

Odelia Haroush beklagte, Kinos würden unter Druck gesetzt, um keine Filme im Rahmen von »Seret« zu zeigen.

Der israelische Botschafter in Berlin, Ron Prosor, sagte, das israelische Kino sei vielfältig, pluralistisch, wagemutig und engagiert. Die Filme, die bei Seret gezeigt werden, demonstrierten, »wie wir damit fortfahren können, unsere Geschichten auf kreative und empathische Art und Weise zu erzählen, auch inmitten großer Tragödie und Schmerz«.

Israels Filmbranche steht vor massiven Herausforderungen: Wegen des Krieges sind Sponsoren von Seret im Ausland abgesprungen, zudem werden Kulturprojekte innerhalb des Landes in viel geringerem Umfang gefördert als zuvor. Haroush beklagte, israelische Regisseure würden auf einigen Filmfestivals bewusst ignoriert und Kinos unter Druck gesetzt, um keine Filme im Rahmen von Seret zu zeigen.

»We will dance again« und »Berlin Blues«

Dafür kam in Berlin ein neues Kino hinzu: Die Kulturbrauerei war bereits im Dezember 2023 bei einem Solidaritäts-Screening des Films Sheva Brachot von Ayelet Menahemi, das Seret organisiert hatte, mit an Bord. Die abgründige Tragikomödie steht auch jetzt wieder auf dem Programm – ebenso die Doku We will dance again von Yariv Mozer über den Massenmord der Hamas beim Nova-Festival am 7. Oktober 2023 in Israel.

Seret zeigt bis Sonntag in Berlin, Frankfurt und Hamburg Spielfilme, Dokus und Kurzfilme, darunter The Vanishing Soldier von Dani Rosenberg und die Serie Berlin Blues von Ram Nehari.

Den Anfang machte The Monkey House von Avi Nesher. Die Komödie um einen vergessenen Schriftsteller, der sich wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit pushen möchte, spielt Ende der 80er-Jahre, detailverliebt inszeniert mit Schreibmaschine, Schnurtelefon, Beeper, einem Kibbuzschwimmbad und der längst eingestellten Zeitung »Dawar«, die der Autor Amitai Kariv (Comedian Adir Miller) demonstrativ liest. Auch Suzanna Papian als dessen Angestellte und Shani Cohen als unnahbare Geliebte überzeugen trotz überkonstruierter Handlung und Längen. Ein eskapistischer Auftakt in schweren Zeiten für das israelische Kino.

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