Kino

Jung, unglücklich, high

»Ich bin der bessere Schauspieler, wenn ich nicht high bin«: Aaron Altaras (29) als Kosmo in »Rave On« Foto: Telos Pictures

Nach dem Sprung auf die Bühne hüpft er noch ein bisschen weiter. Auf der Stelle, mit geschlossenen Beinen. So schnell bekommt man den Beat nicht aus dem Bauch. Es ist Summertime in der City. Die Partynacht nach der Filmpremiere war »grandios«, die Stimme ist zurück und die Clogs an den Füßen (zu beigen Cargo Shorts und dunklem Shirt) das Bequemste, was man sich überhaupt vorstellen kann. Außerdem ist es im Kinosaal in der Münchner HFF, der Hochschule für Film und Fernsehen, angenehm kühl und die Klimaanlage der heimliche Star neben allen anderen Stars beim Münchner Filmfest 2025.

Aaron Altaras (29) ist »total zufrieden mit dem Film«, der an diesem Donnerstag in die Kinos kommt. Es ist überstanden, diese Höllentour durch einen Berliner Klub, eine Tour, die zu einem äußerst intensiven, aufregend authentischen Werk geworden ist. Titel: Rave On. Regie führte das Duo Nikias Chryssos (Der Bunker) und Viktor Jakovleski. Technosongs und Filmmusik stammen von Ed Davenport und John Gürtler. Wer sich den Film ansieht, wird mit Kosmo (Aaron Altaras) hineingesogen in die tiefsten Abgründe einer Klubnacht, hochgeschleudert in deren irrste Höhen. Kurze Lichtblitze zu Technosound zerreißen ab und zu das Dunkel, lange genug, um zu kapieren, was in den Gängen und Schächten, was hinter Türen in dunklen Räumen gerade passiert.

Rave On wurde in einem echten Klub während echter Partys gedreht

»Wir haben zwölf Tage lang jeweils von zehn Uhr abends bis morgens um neun gedreht«, sagt Altaras, hängt überrelaxed im weichen Sessel, bevor er aufs Sofa wechselt. Total anstrengend sei der Dreh gewesen, fordernd, aber auch beglückend. Rave On wurde in einem echten Klub während echter Partys abgedreht, mit Partygängern, die am Eingang informiert worden waren. »Die DJs machten ihr Ding, es passierten Zufälle, was für mich als Schauspieler natürlich hervorragend war«, sagt Altaras, »und das kriegt man im Film nicht oft, dass es diese reale Situation gibt, aus der du dir Energie holen kannst.«

Zu weißer weiter Hose, weißem T-Shirt steckt die Sonnenbrille im Haar, um den Hals hängt die Gliederkette. Und wieder sind es die schwarzen Clogs, bei deren Anblick man sich überall zu Hause fühlen kann, auch im dezent verdunkelten Mozart Salon des Bayerischen Hofs, aus dem die Hitze ausgesperrt bleibt. Und ja, seine Mutter – die Schauspielerin, Autorin und Regisseurin Adriana Altaras – komme auch zur Premiere. »Aber einmal reicht, glaube ich«, sagt Altaras und lacht ein bisschen.
Am Ende von Rave On, nach 85 Minuten, landet man wieder draußen, wird herauskatapultiert aus einem Paralleluniversum. Das Tageslicht blendet, der Welt scheint jeder Sound genommen, nur ein paar Vögel zwitschern befremdlich. Kosmo ist völlig fertig, aber auch einen Schritt weiter. Und »jetzt ins Bett«, sagt jemand.

Es geht um einen Mann, dessen Licht ausgegangen ist

Die Story ist schnell erzählt und eigentlich im Detail auch gar nicht so wichtig. Altaras: »Es geht um einen Mann, der den Anschluss verloren hat. Der irgendwo gescheitert ist. Der sehr, sehr unglücklich ist. Dessen Licht ausgegangen ist. Dem geht es nicht gut. Und er geht an den Ort, an dem er alles hatte, an dem aber auch alles kaputtgegangen ist. Und er versucht sich da zu heilen und verliert sich völlig und findet sich aber am Ende und hat eine heilende Erfahrung gemacht, und so etwas kann wirklich so auch passieren.« Kosmo war also erfolgreich, machte Techno, legte auf, bis er einen Aussetzer hat, ihm der beste Freund (Clemens Schick) den Rücken zudreht. In dieser einen Nacht will er sich und alles retten. Im Film werden Drogen jeder Art und im Überfluss konsumiert, weiße Lines auf den Displays der Handys zurechtgeschoben und gezogen. »Das war eine Herausforderung und ein interessantes Experiment: im Klub sein und nüchtern, alle feiern, und man spielt einen, der nicht nüchtern ist …«, sagt Altaras. Und dass generell für ihn gelte: »Ich bin der bessere Schauspieler, wenn ich nicht high bin.«

»In einer besseren Welt würden alle alles spielen.« Aaron Altaras


Am Low-Budget-Projekt Rave On habe ihn jedenfalls schnell überzeugt, dass die Klubkultur gefeiert werde, eine Kultur, die er gut kenne. »Ich habe viele Erfahrungen dort gemacht, schöne und schlechte, habe viele Leute kennengelernt, kathartische, ich bin da zu Hause.« Was Aaron Altaras zudem zur Idealbesetzung macht, ist, dass er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Leo, ebenfalls Schauspieler und auch kurz in Rave On zu sehen, als DJ- und Produzentenduo »Alcatraz« auftritt.

Auf die Frage, ob er in der Berliner Klubszene nach dem 7. Oktober 2023 etwas von der Entsolidarisierung mit Israel bemerkt habe, antwortet Altaras: »Nein, habe ich nicht unbedingt mitbekommen. Ich wurde das schon oft gefragt, aber ich habe ehrlich gesagt in Klubs im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft Solidarität und tollen Umgang miteinander erlebt.« Nach einer Weile schiebt er nach: »Ich muss nur sagen, sollten wir den Umgang miteinander nicht hinkriegen, sollten wir nicht hinkriegen, zivil miteinander zu reden und friedlich nebeneinander zu leben, ob das jetzt da oder hier ist, dann geht das alles unter.«

Für seine Rolle in »Die Zweiflers« bekam er den Deutschen Fernsehpreis

Dass er als jüdischer Schauspieler immer mal wieder und gern für jüdische Filmfiguren gecastet wurde, findet er »wurscht«, aber auch nicht so ganz: »Ehrlich gesagt, in einer besseren Welt würden alle alles spielen. Ich war lange frustriert, dass ich nur in dieser Richtung angefragt wurde. Aber natürlich bin ich sehr stolz, ›Die Zweiflers‹ gemacht zu haben, weil das mir sehr wichtig ist, das hat mein Leben verändert, und das ist meine Familie. Das ist megagut, und ich kann es nicht erwarten weiterzumachen, aber ich freue mich halt auch, mit ganz unterschiedlichen Leuten und in ganz unterschiedlichen Rollen zu arbeiten.«

Womit wir bei der ARD-Erfolgsserie Die Zweiflers (2023) wären, in der Aaron Altaras als Sohn Samuel zu sehen ist, eine Rolle, für die er den Deutschen Fernsehpreis in der Sparte »Bester Schauspieler« bekam. Und mit den Zweiflers geht es jetzt weiter: »Die nächste Staffel werden wir im Januar nächsten Jahres drehen«, sagt Altaras. Außerdem stecke er noch in einigen anderen Projekten, über die er aber noch nicht viel sagen will. Für ihn macht es die Mischung aus. Und zu der gehören eben auch die Klubs. Und durch die wird Aaron Altaras weiter ziehen.

Der Film läuft am 31. Juli an.

Hören!

Marc Blitzstein

Beim Musikfest Berlin wird die »geometrische Oper« des amerikanisch-jüdischen Komponisten aufgeführt

von Stephen Tree  19.09.2025

Geheimnisse und Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richer  19.09.2025

München

Nach dem Eklat: Jetzt spricht erstmals Lahav Shani

Der israelische Dirigent hat zu dem Vorfall geschwiegen - bis jetzt

von Britta Schultejans  19.09.2025 Aktualisiert

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 19.09.2025

Berlin

Weimer: Keine Kulturförderung für Antisemitisches

Der Kulturstaatsminister zeigt sich empört über Feindlichkeit gegen Juden in der Kulturszene. Er will Richtlinien ändern

 19.09.2025

München

Filmproduzent kritisiert Branche: Wenig Engagement für Juden

Oft werde sich lautstark für Diversität ausgesprochen, doch wenn es um den Kampf gegen Antisemitismus gehe, schweige die deutsche Medienbranche irritierend, meint Martin Moszkowicz

 19.09.2025

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025