Welfenschatz

Jüdische Erben verklagen Bundesregierung

Teile des Welfenschatzes Foto: dpa

Zwei britische und amerikanische Nachkommen der einstigen jüdischen Besitzer des sogenannten Welfenschatzes haben vor dem US-Bundesdistriktgericht von Washington D.C. Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Restitution des Kunstkonvoluts eingereicht, dessen Wert von Experten auf rund 400 Millionen Euro taxiert wird.

Die Erben reagieren damit auf die Empfehlung der sogenannten Limbach-Kommission (»Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz«) vom März 2014, in der eine Restitution abgelehnt worden war. Der Verkauf des Welfenschatzes an Preußen durch ein jüdisches Konsortium 1935 sei, so die Kommission, kein verfolgungsbedingter Zwangsverkauf gewesen.

Göring
Der sogenannte Welfenschatz war einst der Kirchenschatz der Stiftskirche St. Blasius im niedersächsischen Braunschweig. Seit dem 17. Jahrhundert war die Sammlung wertvoller Goldschmiedearbeiten aus dem Mittelalter im Besitz des Welfenhauses. 1929, kurz vor dem weltweiten Börsenkrach, hatte ein Konsortium jüdischer Kunsthändler die 82 Einzelexponate für 7,5 Millionen Reichsmark vom Welfenhaus erworben hatte.

40 Stücke wurden an verschiedene Museen und Privatleute vor allem in den USA veräußert. 1935 kaufte der preußische Staat, Träger der Berliner Museen, die verbliebenen 42 Teile des Schatzes für 4,25 Millionen Reichsmark. Zwei weitere Objekte wurden wenig später hinzugekauft.

Kunsthändler Die Anwälte der Erben – es handelt sich um Gerald Stiebel, einen Großneffen des Kunsthändlers Isaac Rosenbaum, und Alan Philipp, Enkel des Kunsthändlers Zacharias Hackenbroch – argumentieren, der Verkaufspreis 1935 habe klar unter dem damaligen Marktwert gelegen. Aufgrund der judenfeindlichen Atmosphäre in Nazideutschland 1935 könne von einer freien Transaktion zwischen gleichberechtigten Marktteilnehmern nicht die Rede sein.

Die jüdischen Besitzer hätten unter explizitem, dokumentarisch nachweisbarem Druck von NS-Behörden gestanden, den Schatz an die preußische Staatsregierung unter Hermann Göring zu verkaufen: »Sie hatten keine Wahl«, so der deutsche Anwalt der Erben, Markus Stötzel. Sein amerikanischer Kollege Nicholas M. O’Donnell bezeichnete die Weigerung der Bundesrepublik, den Schatz zu restituieren, als »unvereinbar mit der historischen Verantwortung Deutschlands«. ja/epd

Glosse

Der Rest der Welt

Friede, Freude, Eierkuchen oder Challot, koschere Croissants und Rugelach

von Margalit Edelstein  09.11.2025

Geschichte

Seismograf jüdischer Lebenswelten

Das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig feiert den 30. Jahrestag seiner Gründung

von Ralf Balke  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Theater

Metaebene in Feldafing

Ein Stück von Lena Gorelik eröffnet das Programm »Wohin jetzt? – Jüdisches (Über)leben nach 1945« in den Münchner Kammerspielen

von Katrin Diehl  09.11.2025

Aufgegabelt

Mhalabi-Schnitzel

Rezepte und Leckeres

 09.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  09.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025