Debatte

»Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche könnte bald entfernt werden

Die umgangssprachlich als »Judensau« bezeichnete Schmähplastik ist seit mehr als 700 Jahren an der Stadtkirche in Wittenberg angebracht. Foto: picture alliance/dpa

Die judenfeindliche Schmähplastik an der evangelischen Stadtkirche zu Wittenberg soll nach Empfehlung des beauftragten Beirats der Kirchengemeinde zeitnah entfernt werden. Die Plastik müsse in einem angemessenen, einordnenden Rahmen aufbewahrt und zugänglich gemacht werden, forderte der »Beirat zur Weiterentwicklung der Stätte der Mahnung« am Dienstag in Wittenberg.

Über die konkrete Umsetzung müsse eine Einigung mit dem Denkmalschutz erzielt werden.

BUNDESGERICHTSHOF Das auch als »Judensau« bekannte Fassadenrelief in vier Metern Höhe zeigt unter anderem ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Eine 1988 vor der Kirche eingelassene Bodenplatte und eine Stele mit Erläuterungen stellen die Plastik in einen distanzierenden Kontext. Der Bundesgerichtshof hatte deshalb im jahrelangen Rechtsstreit um die Schmähplastik Mitte Juni entschieden, dass das Relief trotz des antijüdischen Inhalts an seinem historischen Ort verbleiben kann.

Der Beirat war 2020 vom Gemeindekirchenrat der Stadtkirche einberufen worden, um über den Umgang mit dem Relief zu beraten.

Mitglieder sind unter anderem der Beauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), Andreas Nachama, sowie der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus, Wolfgang Schneiß.

LERNORT Der Beirat empfehle, die Schmähplastik nicht in einem Museum, sondern in einem kirchennahen, noch zu entwickelnden Lernort unterzubringen, erklärte der Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, Christoph Maier, ebenfalls Beiratsmitglied. Dieser Lernort solle die Stätte der Mahnung mit dem Bodendenkmal ergänzen.

»Die Tradition des Gedenkens vor Ort soll bestehen bleiben«, so Maier weiter. Es sei eine »Zumutung«, die Plastik in der bestehenden Form in der Öffentlichkeit zu halten. Das Relief dürfe aber nicht versteckt werden, sondern müsse zugänglich bleiben. »Es ist wichtig, dass es vor Ort eine lebendige Gedenkkultur gibt«, betonte der Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt.

Ein zeitgemäßes pädagogisches Konzept soll der Empfehlung zufolge eine bleibende Einordnung der Schmähplastik gewährleisten. »Der inhaltliche Bezug zur Geschichte christlicher Judenfeindschaft muss notwendigerweise herausgestellt werden«, hieß es.

Zugleich plädierte der Beirat für die Umsetzung von Sofortmaßnahmen. Dazu gehören die Erstellung einer Broschüre, die Installation eines neuen Erklärtextes für die Informationsstele an der Kirche sowie eine Ergänzung der Dauerausstellung im Innenraum der Kirche. Mit einer Neukonzeption der Dauerausstellung müsse zudem gewährleistet werden, dass »Antijudaismus und Antisemitismus thematisiert und kontextualisiert werden«. epd

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Glosse

Das kleine Glück

Was unsere Autorin Andrea Kiewel mit den Produkten der Berliner Bäckerei »Zeit für Brot« in Tel Aviv vereint

von Andrea Kiewel  20.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Ab jetzt nur noch mit Print-Abo oder Es gibt viele Gründe, auf 2026 anzustoßen

von Katrin Richter  20.12.2025

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025