Architektur

Jerusalem in Seesen

Modelle der Moderne: Blick in die Berliner Ausstellung Foto: Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, Foto: Anna Fischer

Im Modell wird die reiche Architekturgeschichte der Synagogen in Deutschland lebendig und plastisch greifbar: Von bisweilen unscheinbaren Gebetsstätten im Hinterhof im 18. Jahrhundert bis zu den teilweise prominenten Prachtarchitekturen der deutschen Synagogen Ende des 19. Jahrhunderts reicht der Bogen, den eine Ausstellung im Centrum Judaicum in Berlin derzeit spannt.

Studenten der Universität Braunschweig, an der es mit der Bet Tfila eine weltweit einmalige Forschungsstelle für jüdische Architektur gibt, haben helle Holzmodelle der verschiedensten Synagogen in Deutschland angefertigt, von denen nun zwölf im Kuppelschaft der Neuen Synagoge in Berlin auch für Laien verständlich die Evolution des Bautypus mit besonderem Blick auf die Reformsynagogen illustrieren.

stilepochen Wie ein Spiegel der jüdischen Reformbewegung verdeutlichen ihre Architekturen Höhen, Tiefen und Wendepunkte deutsch-jüdischen kulturellen Erbes auch in der Baukunst. Von Texttafeln begleitet beschreibt die Schau Synagoge und Tempel – 200 Jahre jüdische Reformbewegung und ihre Architektur die Entwicklung der Synagogenarchitektur von Barock über Neo-Klassizismus und Eklektizismus bis in die Moderne und Gegenwart. Gezeigt wird, wie die Haskala, die jüdische Aufklärung und die bürgerliche Emanzipation der Juden, religiöse und liturgische Impulse be-
wirkte, die bis heute im liberalen Judentum wirkungsmächtig sind.

Da es nur wenige halachische Anweisungen gibt, wie Synagogen auszusehen haben, sind ihrer Gestaltung traditionell kaum Grenzen gesetzt. In der Regel wurden jüdische Gotteshäuser im vorherrschenden architektonischen Stil der Zeit und des Ortes, an dem sie errichtet wurden, gebaut. Das macht sie bis heute zu einem architektonisch vielfältigen und interessanten Gebäudetypus.

heimat Anlass der Ausstellung ist das 200. Jubiläum der Einweihung des Jacobstempels in dem kleinen Städtchen Seesen im Harz, der als Ursprungsort des liberalen Judentums in Deutschland gilt. Impulsgeber damals war der Braunschweiger Hofbankier und Landrabbiner Israel Jacobson.

Die Architektur des Gebäudes orientierte sich an der Vorstellung von Salomons Tempel in Jerusalem. Reformjuden nannten ihre Synagogen gern Tempel. In Westfalen hatten unter Napoleon deutsche Juden erstmals die gleichen Rechte wie andere Einwohner bekommen. Deshalb sah Jacobson in Seesen »eine neue Heimat«. Seiner Meinung nach sollte »der Tempel stets dort sein, wo Juden ihre Heimat finden.

Das neue Jerusalem ist immer da, wo die Juden zu Hause sind.« Im Seesener Tempel gab es sogar eine Orgel. Jacobson setzte sich damit über das traditionelle Musikverbot in Synagogen hinweg. Auch andere Reformsynagogen sind oft an ihren Orgeln zu erkennen. Das Instrument wurde integraler Bestandteil der reformorientierten Synagogenarchitektur, für die ein eigener Raum vorgesehen werden musste, meist auf der Estrade neben Bima und Toraschrein.

Der Seesener Jacobstempel wurde beim Novemberpogrom 1938 zerstört. Nach 1945 war das liberale Judentum weitgehend aus den deutschen Synagogen verschwunden. Doch inzwischen gibt es wieder eine Reihe liberaler Gemeinden. Dass nach einer allzu langen »chronologischen Lücke« zwischen der Schoa und der Wiedervereinigung Architekten in Deutschland sich endlich wieder die Frage stellen müssen, wie sie Synagogen bauen, die überall im Land entstehen, ist der erfreulichste Aspekt dieser Ausstellung.

»Synagoge und Tempel – 200 Jahre jüdische Reformbewegung und ihre Architektur«. Centrum Judaicum Berlin, bis 8. Juli

www.cjudaicum.de

Fernsehen

»Die Fabelmans«: Steven Spielbergs Familiengeschichte als TV-Premiere

In »Die Fabelmans« erzählt der jüdische Star, wie er vom Film-begeisterten Sammy zu einem jungen Regisseur heranwuchs

von Rüdiger Suchsland  15.08.2025

Kino

»The Life of Chuck«: Das Universum zwischen unseren Ohren

Die Geschichte dieser tragisch-herzlichen jüdische Familie, diese grandiose Idee, das Leben von Chuck genau so zu erzählen, ist ein Geschenk!

 15.08.2025

Bonn

»Monk in Pieces«: Filmdoku über eine Meisterin der Klangsprache

Babysprache und Tierlaute: In den Werken der Musikerin Meredith Monk spielt Gesang, jedoch nicht der Text eine Rolle. Ein neuer Dokumentarfilm nähert sich der einzigartigen Künstlerin

von Michael Kienzl  14.08.2025

Aufgegabelt

Kalte Wassermelonen-Lollis

Rezepte und Leckeres

 14.08.2025

Kulturkolumne

Sehnsucht nach Youkali

Über einen Sommerabend mit Kurt Weill

von Sophie Albers Ben Chamo  14.08.2025

Kanada

Toronto Film Fest will Doku zum 7. Oktober nun doch zeigen

Das Festival hatte urheberrechtliche Bedenken, weil in »The Road Between Us: The Ultimate Rescue« Videoaufnahmen von Hamas-Terroristen gezeigt werden

 14.08.2025

Interview

»Mein Mann wacht lächelnd auf«

Lily Brett ist eine der renommiertesten Autorinnen der modernen Literatur. Ein Gespräch über nicht funktionierende Hypnose, gefälschte Entschuldigungszettel und die richtige Kommasetzung

von Katrin Richter  14.08.2025

Kino

Timothée Chalamet wird zum »Zauberer des Tischtennis«

In »Marty Supreme« verkörpert der amerikanisch-französische Darsteller Marty Reisman, einen schillernden Charakter der US-Tischtennisszene

von Imanuel Marcus  14.08.2025

Veranstaltungen

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 14. August bis zum 21. August

 13.08.2025