Wuligers Woche

Ja, ist denn heut’ schon Silvester?

»Und was machen die Juden zu Neujahr? So was wie die Kurden? Volkstänze? Die Mädels in ihren bunten Kostümen waren toll!« Foto: Getty Images / istock

Redaktionskonferenz einer mittelgroßen Regionalzeitung diese Woche.

Chefredakteur: »Was bringen wir in der Wochenendbeilage?«

Redakteur: »Wieder mal was aus der Serie ›Unsere bunte, vielfältige Stadt‹. Diesmal jüdisches Neujahr. Das fängt Sonntagabend an.«

Chefredakteur: »Ach, ein eigenes Neujahr haben die Juden auch? Müssen wohl immer alles extra machen. Welches Jahr wird denn gefeiert?«

Redakteur (tippt auf seinem Tablet): »Hier steht 5779.«

Chefredakteur: »Ich wusste gar nicht, dass es Israel schon so lange gibt.«

Redakteur: »Nein. Das ist seit dem Bau des Ersten Tempels, glaub ich.«

Anderer Redakteur: »Ich hab gehört, seit dem Auszug aus Ägypten.«

Chefredakteur: »Recherchieren Sie das mal. Und was machen die Juden zu Neujahr? So was wie die Kurden? Volkstänze? Die Mädels in ihren bunten Kostümen waren toll!«

Bildredakteur: »Ja. Geile Bilder!«

Redakteur (schaut wieder auf sein Tablet): »Nee, die Juden tanzen nicht. Sie gehen in die Synagoge. Und blasen dort in ein Widderhorn.«

Redakteurin: »Das arme Tier.«

Chefredakteur: »Bitte, Frau Kollegin. Wir wollen doch tolerant sein. Was gibt es denn sonst noch an interessanten Feiertagsbräuchen? Feuerwerk?«

Redakteur: »Nein, keine Böller. Die Juden machen nach dem Gottesdienst nur ein großes Essen.«

Chefredakteur: »Diese Juden essen ständig. Irgendwann platzen sie noch aus den Klamotten.«

Redakteur (nach Blick aufs Tablet): »Deshalb machen sie auch zehn Tage später einen Fastentag. Um die Kilos wieder runter zu bekommen. Denk ich mal.«

Chefredakteur: »Wie die Muslime im Ramadan. Obwohl, da ist das umgekehrt. Die fasten erst und fressen sich dann voll. Egal. Was kommt bei den Juden denn auf den Tisch? Irgendwas Interessantes, Exotisches?«

Redakteur (konsultiert sein Tablet): »Äh, man isst einen Fischkopf.«

Redakteurin: »Ist ja voll ekelhaft!«

Bildredakteur: »Könnte aber ein scharfes Bild hergeben. Ein Riesenfischkopf, der die Leser aus glasigen Augen direkt anstarrt.«

Chefredakteur: »Nee, das will niemand sehen. So was schreckt die Leser nur ab. Außerdem heißt es dann wieder, wir würden Antisemitismus schüren. Die Juden werden ja wohl noch was anderes außer einem Fischkopf essen. Davon wird doch kein Mensch satt.«

Redakteur (guckt aufs Tablet): »Äpfel mit Honig, steht bei Wikipedia.«

Chefredakteur: »Ah, wie der Nachtisch beim Chinesen. Ob die das von den Juden haben? Oder die Juden von den Chinesen? Das wäre ein interessanter Dreh für die Geschichte: ›Vom Reich der Mitte ins Heilige Land‹. Oder wenn’s umgekehrt sein sollte: ›Nahost im Fernen Osten‹. Spitzenüberschrift! Schreiben Sie das mal so. Sie haben doch Geschichte studiert.« (dreht sich zum Bildredakteur): »Und illustrieren können wir das mit Fotos von Bienen. Wir haben noch welche übrig von der Reportage ›Das große Bienensterben‹, die wir im Juni wegen einer Anzeige kippen mussten. Na also. Dann steht die Story.«

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Meinung

Lasst uns nicht alleine!

Nach dem Canceln von Lahav Shani durch das Flandern-Festival in Genf befürchtet Maria Ossowski, dass Juden Europa jetzt verlassen wollen

von Maria Ossowski  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Film

»Honey Don’t!«

Im zweiten Teil der »queeren B-Movie-Trilogie« von Ethan Coen ermittelt Margaret Qualley als lesbische Privatdetektivin in einer Mordserie

von Jannek Suhr  11.09.2025

Cancel Culture

»Die beste Waffe ist weiterzumachen«

Anti-Israel-Kampagnen führen zunehmend auch zum Cancelling von Künstlern. Der Musiker David Hermlin sagt, er erlebe es gerade in der Swing-Szene. Ein Gespräch über offenen Hass und wie man damit umgeht

von Sophie Albers Ben Chamo  11.09.2025

Meinung

Gent: Boykottiert die Boykotteure!

Dass die Münchner Philharmoniker in Gent nicht auftreten dürfen, weil sie mit Lahav Shani einen israelischen Dirigenten haben, ist eine Schande - und erfordert eine deutliche Antwort deutscher Kulturschaffender

von Michael Thaidigsmann  10.09.2025

Belgien

Festival lädt Philharmoniker mit Dirigent aus Israel aus

Wenige Tage vor einem Auftritt in Belgien wird dem Orchester aus München abgesagt. Der Grund: Sein designierter Chefdirigent habe sich angeblich nicht eindeutig von Israels Regierung distanziert

 11.09.2025 Aktualisiert