9. November

In hellem Licht

Hell erleuchtet: die Frankfurter Westend-Synagoge Foto: Rafael Herlich

»Auf Befehl des Gruppenführers sind sofort sämtliche jüdische Synagogen zu sprengen oder in Brand zu setzen.« Dieser Befehl wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 an die SA und andere NS-Einheiten in Südhessen ausgegeben. Nur wenige Stunden später loderten aus der Börneplatz-Synagoge in Frankfurt und anderen Gotteshäusern die Flammen. Auch jüdische Geschäfte wurden zerstört. Anderthalb Tage später bereits, am 11. November, meldete der Anführer des SA-Kommandos Starkenburg Vollzug.

KAMPAGNE 82 Jahre später, am Jahrestag der November-Pogrome, erstrahlte nun die Frankfurter Westend-Synagoge – eines der wenigen jüdischen Gotteshäuser der Stadt, die in der Pogromnacht nicht zerstört wurden –, in einem besonders hellen Licht.

Mit der Aktion gedachte die Jüdische Gemeinde in der Mainmetropole den von den Nazis verharmlosend »Reichskristallnacht« genannten Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung im November 1938 gedenken. Rund 1400 jüdische Einrichtungen in Deutschland wurden damals ganz oder teilweise zerstört, Hunderte Juden ermordet und viele weitere in die Konzentrationslager verschleppt.

Weltweit beteiligten sich Einzelpersonen, Organisationen sowie jüdische Gemeinden an der Aktion. Sie zündeten symbolisch ein Licht an und posteten ihre Nachricht mit dem Hashtag #LetThereBeLight in den sozialen Netzwerken. Die weltweite Kampagne wurde gemeinsam von der Organisation »March of the Living«, dem Miller-Center an der Rutgers University und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt initiiert. Hunderte Synagogen, Kirchen und Moscheen ließen vergangene Nacht ihre Lichter brennen. Auch die kleine jüdische Gemeinde in Bahrains Hauptstadt Manama beteiligte am Gedenken.

PROJEKTION »Gemeinsam vereinen wir die Welt gegen Antisemitismus, Rassismus, Intoleranz und Hass und lassen das Licht über die Dunkelheit des Hasses erstrahlen«, hieß es im Aufruf. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, Salomon Korn, erklärte, Antisemitismus und Rassismus gefährdeten die Gesellschaft als Ganzes. Man wolle sich dafür einsetzten, dass Diskriminierung und Intoleranz geächtet würden.

https://www.instagram.com/p/CHZHTp-jMm8/

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief ebenfalls zu konsequentem Handeln gegen den Judenhass auf. Die Pogrome »waren ein widerwärtiger Gewaltausbruch, der auf lange Jahre der Diskriminierung, Einschüchterung und Anfeindung folgte. Sie waren ein Vorbote der unfassbaren Verbrechen der Schoah, die meine Landsleute einige Jahre später verüben sollten«, sagte Steinmeier in einer Videobotschaft, die bei einer Gedenkveranstaltung in Jerusalem gezeigt wurde.

ÜBERLEBENDE Auch Schoa-Überlebende, Politiker, Rabbiner, Imame und Priester beteiligten sich an der Lichteraktion. Am Abend wurden ihre Gebete und Botschaften auf die Mauern der Altstadt Jerusalems projiziert. Der Zeitzeuge Claude Springer schrieb: »Ich war zehn Jahre alt, als die Kristallnacht passierte. Ich hörte, wie die Scheibe des jüdischen Bekleidungsgeschäfts zerbarst, das unter unserer Wohnung gelegen war. Mein Onkel rannte, um die Sefer Tora zu retten. Was damals passierte, kann wieder passieren. Wir müssen wachsam sein.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin sagte in seiner Botschaft: »Während die Öfen der nationalsozialistischen Krematorien längst erloschen sind, brennen die Flammen, die in der Kristallnacht jüdische Gotteshäuser, Wohnungen und Geschäfte verzehrten, bis heute; die Flammen des Hasses und des Rassismus.« Er hoffe sehr, dass die Menschheit aus der Geschichte gelernt habe, damit sie sich nicht wiederhole.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu postete folgende Botschaft: »Am 82. Jahrestag der Kristallnacht gedenken wir der Nacht, die den Beginn des Holocaust markierte. Wir geloben, dass das jüdische Volk nie wieder wehrlos gegen die Kräfte sein wird, die unsere Vernichtung suchen.«

GROSSBRITANNIEN Netanjahus britischer Amtskollege Boris Johnson schrieb, der 9. November 1938 sei der Auftakt gewesen »zum dunkelsten Moment der Menschheit. Heute vereinen wir uns gegen Antisemitismus, Hass und Intoleranz. Wir werden das Licht niemals erlöschen lassen.« Londons Bürgermeister Sadiq Khan schrieb, man müsse daran arbeiten, dass es eine Zukunft gebe, die nicht durch Hass, sondern durch Hoffnung, Einigkeit und Liebe gekennzeichnet sei.

Der Präsident des ungarischen jüdischen Gemeindebundes, András Heisler, erklärte, es sei die gemeinsame Verpflichtung aller, Brücken zu bauen zwischen den verschiedenen jüdischen Strömungen.

Österreichs Bildungs- und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann sagte, er verneige sich in Respekt vor den Opfern der Schoa. »Ich verfolge hier eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jedweder Form von Antisemitismus und Rassismus.« Der Respekt und die Anerkennung der Vielfalt seien nicht verhandelbare Elemente einer Erziehung hin zur Demokratie, so Faßmann.

BAHRAIN Auch die kleine jüdische Gemeinde des Golfstaats Bahrain beteiligte sich am Gedenken. »Dies ist das erste Mal, dass wir diese Veranstaltung haben, um uns an die Opfer zu erinnern«, sagte das Oberhaupt der 35-köpfigen Gemeinde in der Hauptstadt Manama, Ebrahim Nonoo, der Deutschen Presse-Agentur.

Die einzige Synagoge in dem mehrheitlich muslimischen Land wurde mit Kerzen beleuchtet, um am 82. Jahrestag der Pogromnacht ein Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Intoleranz zu setzen. Bahrain hat erst vor Kurzem ein historisches Annäherungsabkommen mit Israel geschlossen. (mit dpa)

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

 29.06.2025

Glastonbury

Polizei prüft Videos der Festival-Auftritte auf strafrechtliche Relevanz

Festival-Organisatoren: Parolen von Bob Vylan hätten eine Grenze überschritten

 29.06.2025

Literatur

Österreicherin Natascha Gangl gewinnt Bachmann-Preis 2025

Ihr poetischer Text »DA STA« begibt sich auf die Suche nach den versteckten Spuren eines NS-Verbrechens

 29.06.2025