Gespräch

»In allen Facetten«

Autorin, Mutter, Freundin – Mascha Kaléko Foto: dtv

Frau Rosenkranz, Sie haben mehr als vier Jahre an der Mascha-Kaléko-Gesamtausgabe gearbeitet. Welches Detail hat Sie überrascht?
Wenn ich noch unvermutete unbekannte Gedichte oder Texte gefunden habe. Ich bin systematisch alle Tageszeitungen der 30er-Jahre durchgegangen, und ich habe zwei Gedichte entdeckt, die bislang noch nirgendwo aufgetaucht waren. Vor allem in der Jüdischen Rundschau gab es viele Artikel von ihr. Das alles ist nicht im Nachlass gewesen. Ein winziges Detail hat mich auch gefreut. Die standesamtliche Trauung von Mascha Kaléko und Chemjo Vinaver hat im Juni 1938 stattgefunden – das wusste ich nicht.

Wozu braucht es eine Gesamtausgabe?
Mascha Kaléko hat sie verdient. Sie ist eine Klassikerin der Moderne und steht in einer Reihe mit Ringelnatz und Tucholsky, von denen es schon Werkausgaben gibt. Ich glaube, es liegt daran, dass sie eine Frau war und lange Zeit nicht so ernst genommen wurde.

Zum ersten Mal sind auch 1.400 Briefe von Kaléko zu lesen. Was verraten sie über die Autorin, was man durch ihre Lyrik bislang noch nicht erfahren hat?
In den Briefen lernt man nicht nur die Autorin kennen, sondern auch die Ehefrau, die Mutter und die Freundin. Bei vielen Details aus dem Alltag ist man Mascha Kaléko sehr nahe. Gerade in den letzten Jahren, als es ihr nach dem Tod ihres Sohnes und ihres Mannes nicht gut ging, aber auch in den beeindruckenden Briefen aus dem Jahr 1956. Über 100 Briefe hatte sie an ihren Mann geschrieben, als sie das erste Mal wieder in Deutschland und Berlin war. Wie sie das Berlin der 50er-Jahre schildert, die vielen kleinen Details, das macht die Briefe lesenswert. Man sieht Mascha Kaléko in allen Facetten.

Sie hat nicht nur Briefe aus Berlin geschrieben, sondern auch aus New York und aus Jerusalem. Worin unterscheidet sich die Korrespondenz aus dem Ausland?
Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es darin einen Unterschied gibt. Die Verschiedenheit sehe ich eher in den Briefen aus den 50er- und 60er-Jahren. Als Kaléko in Berlin war, sind die Briefe sehr beschwingt und sehr heiter. Sie hat in diesen Jahren alles sehr gelassen genommen – auch wenn mal etwas schiefging. So heitere Briefe hat sie in den Jahren danach nicht mehr verfasst. In den 60er-Jahren ist sie nach Jerusalem gegangen. Ihre Aufzeichnungen klingen in dieser Zeit sehr melancholisch. Kaléko und ihr Mann waren krank, und sie fühlte sich später in Jerusalem nicht mehr so heimisch wie noch zu Beginn.

Mit der Herausgeberin der Edition sprach Katrin Richter.

Mascha Kaléko:
»Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden«, Studienaus- gabe. Herausgegeben von Jutta Rosenkranz. dtv, München 2012, 4.048 S., 78 €

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025

Eurovision Song Contest

»Ihr wollt nicht mehr, dass wir mit Euch singen?«

Dana International, die Siegerin von 1998, über den angekündigten Boykott mehrerer Länder wegen der Teilnahme Israels

 08.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  08.12.2025

Vortrag

Über die antizionistische Dominanz in der Nahostforschung

Der amerikanische Historiker Jeffrey Herf hat im Rahmen der Herbstakademie des Tikvah-Instituts über die Situation der Universitäten nach dem 7. Oktober 2023 referiert. Eine Dokumentation seines Vortrags

 07.12.2025

Zwischenruf

Die außerirdische Logik der Eurovision

Was würden wohl Aliens über die absurden Vorgänge rund um die Teilnahme des jüdischen Staates an dem Musikwettbewerb denken?

von Imanuel Marcus  07.12.2025

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025