Nachruf

»I’m a Sabra«

Gefährlich schön: Daliah Lavi 1966 in der Agentenkomödie »Der Spion mit der kalten Nase« Foto: Ullstein

Nachruf

»I’m a Sabra«

Zum Tod der israelischen Sängerin und Schauspielerin Daliah Lavi

von Ingo Way  08.05.2017 16:52 Uhr

Zwar hatte sie sich schon 2009 komplett aus dem Musik-Business zurückgezogen. Doch anders als viele ihrer Schlagerkollegen aus den 70er-Jahren fiel sie weder dem Vergessen anheim, noch musste sie in Teppichläden oder im Dschungelcamp auftreten. Am Mittwoch vergangener Woche ist die israelische Sängerin und Schauspielerin Daliah Lavi im Alter von 74 Jahren in Asheville, North Carolina, gestorben.

Auch wenn sie in späteren Jahren mit Karel Gott im Duett sang und sich von Schlagerpapst Ralph Siegel produzieren ließ, wurden die Platten, die Daliah Lavi als Sängerin definierten, Anfang der 70er-Jahre in London mit lokalen Studiomusikern aufgenommen und entgingen so dem deutschen Schlagersound, klingen wärmer und poppiger.

Durchbruch Einige ihrer größten Erfolge aus dieser Zeit, wie »Oh, wann kommst du« und »Willst du mit mir geh’n«, stammten aus der Feder des südafrikanischen Singer-Songwriters John Kongos, dessen eigene Karriere nie so richtig in Fahrt kam, der sich aber von den Tantiemen für die Lavi-Songs ein hübsches Häuschen kaufen konnte.

Die Siegel-Jahre sind heute vergessen, ihre frühen Hits wie »Meine Art, Liebe zu zeigen« oder »Liebeslied jener Sommernacht« leben jedoch fort. Zwar nahm Lavi damals die meisten ihrer Stücke auch auf Englisch auf, den großen Durchbruch hatte sie allerdings einzig in Deutschland.

Auf die Frage, ob es ihr keine Probleme bereitet hätte, in dem Land aufzutreten, das einen Teil ihrer Familie ermordet hatte, sagte Lavi 2008 in einem taz-Interview: »Etwas zögerlich war ich schon – nicht meinetwegen, sondern weil ich mich fragte, was meine Mutter dazu sagen würde. Also fragte ich sie, und sie antwortete mir ganz einfach: ›Ich vertraue dir.‹«

Antisemitismus habe sie von Deutschen nie erlebt. »Ich habe ihnen nicht das Gefühl gegeben, dass sie mich angreifen könnten. Hätten sie es versucht, hätte ich ihnen das Genick gebrochen.«

Ballett Dabei wollte Daliah Lavi als Kind eigentlich Balletttänzerin werden. 1942 in Haifa geboren, lebte sie ab ihrem fünften Lebensjahr in der deutschen Gemeinde Shavei Zion im Norden des Landes. Ihre Eltern und Großeltern waren in den 30er-Jahren aus Nazi-Deutschland geflohen.

Entdeckt wurde Lavi durch einen Zufall: Kurz vor ihrem zehnten Geburtstag kletterte sie über den Zaun eines Luxushotels, um im dortigen Pool zu schwimmen. Der Hotelmanager erwischte sie jedoch und wollte sie hinauswerfen, als ihr drei Hotelgäste zu Hilfe kamen und behaupteten, das Mädchen gehöre zu ihnen. Es waren die Schauspieler Kirk Douglas, John Banner und Alf Kjellin, die sich wegen der Dreharbeiten zu Edward Dmytryks The Juggler, einem Drama über einen Schoa-Überlebenden, gerade in Israel aufhielten. Die kleine Daliah lud die Stars zum Dank zu ihrer Geburtstagsfeier ein; die drei kamen tatsächlich und machten ihr ein ganz besonderes Geschenk: Sie sorgten dafür, dass sie an der Royal Swedish Ballet School in Stockholm klassisches Ballett studieren konnte.

Also ging sie nach Schweden, kehrte aber vier Jahre später ernüchtert nach Israel zurück: Für eine Ballettkarriere war sie zu groß und hatte obendrein zu niedrigen Blutdruck. Als Teenager modelte sie einige Jahre für Bademoden und ging, nachdem sie schon die Hauptrolle in dem deutsch-israelischen Abenteuerfilm Brennender Sand bekommen hatte, mit 18 Jahren nach Paris, um sich ihrer zweiten Karriere als Filmschauspielerin zu widmen.

Während der 60er-Jahre wirkte Lavi, die Englisch, Schwedisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Russisch sprach, in diversen europäischen und amerikanischen Produktionen mit, etwa in Two Weeks in Another Town (1962) mit ihrem Entdecker Kirk Douglas, dem Karl-May-Film Old Shatterhand (1964), The Silencer (1965) mit Dean Martin oder der James-Bond-Parodie Casino Royale (1967).

Ihr Lieblingsfilm blieb aber stets Il demonio (1963) des Regisseurs Brunello Rondi, der auch Drehbücher für Federico Fellini schrieb. Lavi spielt darin eine junge Frau im ländlichen Italien, von der die Dorfbewohner glauben, sie sei vom Teufel besessen.

Zufall
Zu ihrer dritten Karriere als Sängerin kam Lavi wiederum durch einen Zufall. Der israelische Schauspieler Chaim Topol hatte 1969 in Großbritannien eine eigene Fernsehshow. Topol bat Lavi, darin einige Lieder auf Hebräisch zu singen. Ein britischer Plattenproduzent hörte das und nahm sie prompt unter Vertrag. Der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte. 1974 nahm Lavi dann tatsächlich noch ein Album mit ausschließlich hebräischen Liedern auf (I’m Israeli – I’m a Sabra).

Seit 1992 lebte Daliah Lavi mit ihrem Mann Chuck Gans in Asheville. Sie hinterlässt eine Tochter, drei Söhne und fünf Enkelkinder. Bis zuletzt besuchte sie einmal im Jahr Israel. Dort wurde sie auch beerdigt.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  06.05.2025

Literatur

Der Verschollene

Daniel Kehlmann entdeckt in einem wunderbaren Essay den Romancier Leo Perutz auf überraschende Weise neu

von Marko Martin  06.05.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Import-Export oder Was ich aus Israel brauche

von Katrin Richter  06.05.2025

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  05.05.2025

Bergen-Belsen

»Der Holocaust wird als Kulisse benutzt, um Israel anzugreifen«

Menachem Rosensaft ist verstört über ein Theaterstück, in dem die Lage von jüdischen Schoa-Überlebenden in Displaced-Persons-Camps mit der von Palästinensern verglichen wird

von Michael Thaidigsmann  05.05.2025

Potsdam

31. Jüdisches Filmfestival Berlin Brandenburg wird eröffnet

Der Spielfilmwettbewerb präsentiert internationale Produktionen, vom ersten in Israel produzierten Film eines beduinischen Regisseurs bis hin zu einem Neo-Western mit einem Rabbi als Actionheld

 05.05.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  05.05.2025

Weltenbummler

Luca Pferdmenges ist der »German Travel Guy« mit gutem Geschmack

Er kennt 195 Länder und weitaus mehr Städte. Welche ist wohl seine Lieblingsstadt auf diesem Planeten?

von Frank Christiansen  05.05.2025