Berlinale

»Ich kam als Sieger zurück«

»Ein Skandal, dass viele Museen ihren Bestand immer noch nicht auf Raubkunst überprüft haben«: Harry Ettlinger Foto: dpa

Herr Ettlinger, kommende Woche läuft »The Monuments Men« in den deutschen Kinos an. Wie gefällt Ihnen der Film?
George Clooney hat einen super Job gemacht. Der Film ist unterhaltsam und anspruchsvoll zugleich. Er zeigt, was für eine Leistung es von uns Kunstschutzoffizieren damals war, all diese Bilder vor den Nazis zu retten. Nur eine Sache habe ich an dem Film auszusetzen.

Und zwar?
Wir Jungs von der Einheit Monuments, Fine Arts, and Archives Section sahen damals natürlich viel besser aus als George Clooney, Matt Damon und Jean Dujardin, die uns spielen (lacht).

Entspricht der Film davon abgesehen den historischen Tatsachen?
Alles in allem ja. Der an mir angelehnte Charakter trägt zwar nicht meinen Namen. Und ich habe auch nicht alles erlebt, was im Film zu sehen ist. In den wichtigsten Punkten aber erzählt The Monuments Men die Wahrheit über uns und unseren eigentlich verrückten Auftrag. Es war unsere Aufgabe, Kunstgut während des Zweiten Weltkriegs zu schützen.

Sie waren ab 1945 fast zwei Jahre lang in Deutschland stationiert. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Es waren unglaublich spannende und aufregende Zeiten. Trotz des Krieges versuchten wir, möglichst viele Kultur- und Baudenkmäler in Europa zu erhalten und während der Gefechte nicht zu zerstören. Erst im Laufe der Zeit änderte sich unser Auftrag. Nachdem immer deutlicher wurde, dass die Nazis Millionen Kunstgegenstände geraubt und versteckt hatten, machten wir uns auf die Suche nach Raubkunst. Es verschlug uns oft den Atem, was wir zu sehen bekamen.

Weshalb?

Es war an der Tagesordnung, dass wir zum Beispiel in Schloss Neuschwanstein hinter einer Stahltür einen riesigen Haufen an geraubtem Silber und Juwelen fanden. Die Nazis sind ja in ganz Europa auf Beutezug gegangen. Ungefähr fünf Millionen Kunstobjekte raubten sie und brachten sie nach Deutschland. Dieser Aspekt wird manchmal vergessen: Hitler und seine Anhänger waren nicht nur Massenmörder, sondern auch Diebe in bisher unbekanntem Ausmaße. Dem wollten wir etwas entgegensetzen.

Wie wurden Sie Teil der Spezialeinheit?
Meine Familie und ich sind 1938 von Karlsruhe aus in die USA geflüchtet. Das war einen Tag nach meiner Bar Mizwa, daran erinnere ich mich noch genau. Ich spreche übrigens heute noch den Dialekt meiner badischen Heimat. Als junger US-Soldat kam ich 1945 nach Deutschland zurück. Wenig später stieß ich zu den Momuments Men, weil ich fließend Deutsch sprach. Dort zu sein war phantastisch.

Inwiefern?
Ich verließ Deutschland als jüdischer Flüchtling – und kam wieder als amerikanischer Soldat, der die gestohlenen Werke ausfindig machte und sie den rechtmäßigen, oft jüdischen Besitzern zurückgab.

Durch den Fall Gurlitt ist der Kinofilm unerwartet aktuell. Wie denken Sie darüber, dass 70 Jahre nach Ihrem Einsatz viele Bilder immer noch nicht den rechtmäßigen jüdischen Sammlern zurückgegeben wurden?
Das ist ein großer Skandal. Dass der Raub vieler Bilder verjährt sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin dafür, dass nicht die eigentlich rechtmäßigen Erben sich bei den heutigen Besitzern melden müssen, sondern umgekehrt. Die deutschen Museen müssen zudem ihre Bestände überprüfen und gegebenenfalls Bilder an die rechtmäßigen Erben zurückgeben. Noch immer hat ein großer Teil der Museen ihren Bestand nicht auf Raubkunst überprüft. Weshalb, ist klar: Ohne Kunstwerk, keine Besucher. Keine Besucher, kein Museum.

Das Gespräch führte Philipp Peyman Engel.

Sehen Sie hier den Trailer zu »The Monuments Men«:
www.youtube.com/watch?v=CreneTs7sGs

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024