Fall Gurlitt

»Ich bin sehr enttäuscht«

»Ich glaube, Deutschland hätte die Herkunft der Bilder schneller und sorgfältiger prüfen müssen«: Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses Foto: dpa

Mit deutlichen Worten hat Ronald S. Lauder die Arbeit der von der Bundesregierung im Fall Gurlitt eingesetzten Taskforce Schwabinger Kunstfund kritisiert. »Wir sind von den bisherigen Ergebnissen der Taskforce sehr enttäuscht«, sagte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses der Jüdischen Allgemeinen. »Nach Gründung der Arbeitsgruppe 2013 hatten wir gehofft, dass schnell Ergebnisse erzielt und alle Ressourcen zur Erforschung der Herkunft von Raubkunst in Gang gesetzt werden.« Diese Hoffnung sei jedoch enttäuscht worden, so Lauder weiter.

Unzufrieden äußerte sich Lauder auch hinsichtlich der Entscheidung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, dass in Kürze eine Koordinierungsstelle in Magdeburg die Arbeit der Taskforce wegen nicht zufriedenstellender Ergebnisse übernehmen solle. Das neu eingerichtete Gremium soll zwar ebenfalls die Herkunft der Werke im Erbe von Cornelius Gurlitt erforschen, was Lauder begrüßt: »Doch die Koordinierungsstelle befindet sich noch in der Anfangsphase und hatte einen holprigen Start. Wie die Taskforce fehlt es ihr zudem an Transparenz und Ressourcen.«

provenienz Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses geht nicht davon aus, dass die Provenienz des Schwabinger Kunstfunds mittelfristig geklärt werden wird. »Ich glaube, Deutschland hätte die Herkunft der Bilder schneller und sorgfältiger prüfen müssen«, betonte Lauder. »So wie es aussieht, muss die Welt noch mehrere Monate lang darauf warten, bis der Gurlitt-Fund untersucht wird. Das entspricht leider nicht der angemessenen Art und Weise, wie Deutschland mit dem Kapitel NS-Raubkunst umgehen sollte.« Bislang wurden aus den rund 500 betreffenden Werken aus Gurlitts Erbe erst zwei Bilder an die rechtmäßigen jüdischen Besitzer zurückgegeben.

Zur Ankündigung von Monika Grütters, das Erbe von Cornelius Gurlitt öffentlich auszustellen, mochte sich Lauder nicht äußern. Die rund 1500 Werke sollen laut Grütters ab Ende 2016 in der Bundeskunsthalle Bonn gezeigt werden. Dabei sollen auch Bilder zu sehen sein, die unter Umständen jüdischen Vorbesitzern gehörten. Eine solche Ausstellung sei von Bedeutung, da sie zur weiteren Aufklärung der Werke beitrage und dadurch womöglich neue Spuren zur Provenienz zutage treten könnten, unterstrich Grütters. »Mit Pietät vor den Opfern ausstellen«, sei dabei eines der wichtigen Gebote der Schau.

Der Fall Gurlitt und der sogenannte Schwabinger Kunstfund hatten die Bedeutung des Themas NS-Raubkunst deutlich gemacht. Bei dem inzwischen verstorbenen Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt waren im November 2013 in München durch Zufall weit über 1000 Bilder gefunden worden. Nach Einschätzung von maßgeblichen Kunstexperten befinden sich darunter zahlreiche Raubkunst-Werke. Gurlitts Vater, Hildebrand Gurlitt (1895-1956), gehörte zu den zentralen Figuren des NS-Kunsthandels.

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025