Musik

Hör auf die Oma!

Verdienstvoll: Rechtzeitig zum 120. Geburtstag von Alberto Hemsi erinnert die erste Gesamteinspielung an sein Vermächtnis. Foto: PR

Ohne Großmütter wäre die Welt eine andere. Warum? Das ist schnell erzählt. Im Jahr 1898 wurde im heute türkischen Kasaba Alberto Hemsi in eine sefardische Familie geboren. Mit 15 Jahren ging er zum Musikstudium nach Mailand. Als er nach sieben Jahren zurückkehrte, sang seine Großmutter vor Freude zwei alte sefardische Lieder für ihn. Später beschrieb er, dass er da erkannte, welch außergewöhnliche Welt seine Heimat war. Sein Entschluss stand fest: Von da an setzte er alles daran, diese Tradition dem Vergessen zu entreißen.

Alberto Hemsi sammelte alle Lieder und Texte, die er finden konnte, und schrieb Klavierbegleitungen zu 60 Melodien. Indem er die traditionelle Musik zu Konzertmusik machte, konnte sie die Zeit überdauern, auch als nach 1945 die Quellen verstummt waren. Die Zeitläufte führten Hemsi nach Alexandria, wo er an der Synagoge und am Konservatorium wirkte. Dort verlegte er auch die ersten fünf Bände seiner Coplas Sefardies. Später floh er nach Kairo und schließlich nach Paris, wo er weitere fünf Bände verlegte und schließlich 1975 starb.

Liebe Diese zehn Bände mit Bearbeitungen sefardischer Lieder einzuspielen, haben sich nun der Bassbariton Assaf Levitin und der Pianist Naaman Wagner zur Aufgabe gemacht. Die erste CD Coplas Sefardies erscheint diese Woche und beginnt mit vier Bänden, die Alberto Hemsi in den 30ern angefertigt hat: zwei Sammlungen aus Rhodos und zwei aus Thessaloniki. Es geht um Liebe, Märchen, Könige, den Tod, Pampelmusen und vieles mehr.

Auch Wiegenlieder wie das bewährte »Durma, durma« fehlen nicht, kommen hier allerdings in einem fast spröden Gewand daher. Die Klavierbegleitungen stehen hörbar in der Tradition der 30er-Jahre, als man sich von einer romantischen Klangsprache schon lange verabschiedet hatte. Naaman Wagner spielt diese virtuose Musik mit großer Souveränität, Eleganz und Farbenreichtum und bereitet so Assaf Levitins vollem Gesang eine starke Grundlage.

Die außerordentlich verdienstvollen Einspielungen sind eine gute Gelegenheit, hierzulande unbekannte Chansons kennenzulernen. Für entspannten Hörgenuss nebenbei jedoch ist die Musik etwas zu sperrig. Wer aber Ausgefallenes schätzt oder musikhistorisch interessiert ist, dem öffnet dieses einzigartige Zeugnis die Ohren für die erstaunliche Verbindung zwischen Ost und West, zwischen traditioneller und akademischer Musik.

Assaf Levitin/Naaman Wagner: »Coplas Sefardies«. Rondeau Production 2018

Humor

Ausstellung »#Antisemitismus für Anfänger« eröffnet

Das Stuttgarter Haus der Geschichte zeigt eine sehr sehenswerte Ausstellung

 02.10.2023

Glosse

Warum Israelis die mit großem Abstand nervigsten Touristen überhaupt sind

Ein Erfahrungsbericht

von Ralf Balke  02.10.2023

Katarzyna Wielga-Skolimowska

»Die documenta muss die meiste Arbeit selbst leisten«

Die Leiterin der Kulturstiftung des Bundes über die Zukunft der Weltkunstschau in Kassel und wie der Kulturbetrieb mit der antisemitischen BDS-Bewegung umgehen sollte

von Ayala Goldmann  02.10.2023

Fernsehen

»Babylon Berlin«: Neue Staffel wirft Blick auf Judenhass

Die Unterwelt fechtet einen Krieg um die Vorherrschaft in der Hauptstadt aus

von Julia Kilian  01.10.2023

TV-Kritik

Sagenhaftes Unbehagen

Im ZDF diskutierten Gregor Gysi, Deborah Feldman und Manfred Lütz über Gott und die Welt - und über Israel

von Michael Thaidigsmann  29.09.2023

Zahl der Woche

800 Quadratmeter

Fun Facts und Wissenswertes

 29.09.2023

Verriss

Toxisch

Deborah Feldmans neues Buch »Judenfetisch« strotzt vor Israelhass – verwurzelt im Antizionismus der Satmarer Sekte, in der die Autorin aufwuchs

von Daniel Killy  28.09.2023 Aktualisiert

Film

Inszenatorisches Understatement

Barbara Albert hat sich an Julia Francks »Die Mittagsfrau« gewagt

von Jonathan Guggenberger  28.09.2023

Mark Ivanir

»Den Nazis eine reinhauen«

Ein Interview mit dem Schauspieler über seine Rolle als jüdischer Gangster in der vierten Staffel von »Babylon Berlin«

von Ayala Goldmann  28.09.2023