Leipzig

Historischer Moment - Leipziger Capa-Haus öffnet wieder

Robert Capa und seine Partnerin Gerda Taro 1935 in Paris Foto: picture alliance/dpa

Das Jugendstilhaus thront in der Leipziger Jahnallee über einer verkehrsreichen Kreuzung. Es wirkt wie der Eingang zum Stadtteil Lindenau. Drei Balkone ragen an dem Wohnhaus hervor. Auf einem von ihnen starb am 18. April 1945 der US-amerikanische Soldat Raymond J. Bowman (1924-1945). Deutsche Scharfschützen trafen ihn direkt in den Kopf.

Der ungarisch-amerikanische Kriegsfotograf Robert Capa (1913-1954) hielt den Moment des Todes fest: Bowman liegt leblos in der Balkontür, sein Blut fließt über das Parkett. Vom Balkon aus hatten er und Lehman Riggs (1920-2021) den in Leipzig vorrückenden US-Soldaten Rückendeckung geben sollen.

Das Schwarz-Weiß-Foto des Toten wurde wenige Tage danach im »Life«-Magazin mit weiteren Bildern der Befreiung Leipzigs durch US-amerikanische Soldaten veröffentlicht. Als Teil der Serie »Last Man to Die« erlangte es später Ikonenstatus. Bis heute ist es eines der berühmtesten Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg.

Das Gebäude mit dem Balkon heißt heute »Capa-Haus« und ist nach umfangreicher Sanierung wieder ein Wohnensemble. Im Erdgeschoss kann jetzt nach zweijähriger Pause die Dauerausstellung »War is Over« besichtigt werden. Sie erzählt über Capa und seine Leipziger Fotos. Schon vor Jahren konzipiert, war sie zunächst im Café des Capa-Hauses zu sehen. Doch dieses musste coronabedingt schließen.

Die Wiedereröffnung der Ausstellung war möglich, weil der Verlag für jüdische Kultur und Zeitgeschichte Hentrich & Hentrich vor wenigen Wochen in das geschichtsträchtige Haus einzog. Verlagsinhaberin Nora Pester war klar: »Wir müssen was machen, damit der Ort wieder zugänglich wird.« Sie ist überzeugt, dass die Geschichte rund um das Foto neu erzählt werden muss.

Pester will die Ausstellung gemeinsam mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig und der Initiative Capa-Haus neu konzipieren. »Die Biografien der Protagonisten sollen einen Link in die Gegenwart bekommen«, betont die Verlegerin.

Zudem soll ein Teil der Ausstellung Capas Lebensgefährtin Gerda Taro (1910-1937) gewidmet werden. Sie war ebenfalls Kriegsfotografin, lebte als junge Frau in Leipzig und kam mit 26 Jahren in Spanien bei einem Unfall ums Leben.

Dass es das Capa-Haus heute noch gibt, ist engagierten Bürgern und einem Investor zu verdanken. Das Gründerzeitgebäude war jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben. Ulf-Dietrich Braumann erinnert sich noch gut daran. Der Leipziger Informatiker ist einer der Engagierten der seit Ende 2011 tätigen Initiative Capa-Haus.

Damals sollte das Haus abgerissen werden, erzählt er.

Das wollte die Gruppe nicht zulassen. Es gelang ihr, Kontakte zu Zeitzeugen herzustellen, die Namen des toten Soldaten vom Foto und seines Kameraden zu recherchieren und die Öffentlichkeit auf die Geschichte des Hauses aufmerksam zu machen.

In letzter Minute wurde ein Investor gefunden. Horst Langner aus Oberbayern wusste um die Geschichte der unter Denkmalschutz stehenden Immobilie, übernahm das Risiko, investierte schließlich rund zehn Millionen Euro. 2016 war das Haus fertig saniert.

Capa hatte sich im April 1945 einer US-amerikanischen Division angeschlossen, die über Frankreich nach Merseburg und Leipzig vorrückte. Braumann vermutet, dass er wahrscheinlich einen Auftrag für das »Life«-Magazin hatte. Capa habe »die Nerven behalten und den Moment für die Nachwelt erhalten«, so Braumann. Kurz vor dem Todesschuss stand auch Capa auf dem Balkon des Leipziger Hauses. Die Kugel hätte auch ihn treffen können.

Bowman ist nicht der letzte Tote des Zweiten Weltkrieges, wie Capas berühmte Fotoserie vom 18. April 1945 suggerieren könnte. Der Fotograf habe sehr wahrscheinlich noch am selben Tag in Leipzig weitere Todesopfer gesehen, sagt Braumann. Der Titel der Serie »Last Man to Die« spiegle Capas persönliches Erleben als Zeuge des Todes.

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

von Ulf Poschardt  29.06.2025