Wuligers Woche

Heiß oder kalt? Krieg oder Frieden?

Wenn die Hitze zu Kopf steigt Foto: Getty Images/iStockphoto

Ein Gutes hatte die Hitzewelle der vergangenen Wochen: Ich begreife jetzt, wie deutsche Nahostdebatten funktionieren. Beides – Hitze und Nahost – wird nämlich nach dem gleichen Muster diskutiert. Hitze: »So heiß war es noch nie. Normal ist das nicht. Das liegt am Klimawandel.« Nahost: »Seit über 70 Jahren kein Frieden. Normal ist das nicht. Das liegt am Zionismus.«

Beides stimmt zwar nicht ganz. 2014 beispielsweise war es heißer. Aber da wurde Deutschland Fußballweltmeister, weshalb die Hitze nicht das Thema war. Und ob der Klimawandel schuld ist, wird sich erst in ein paar Jahrzehnten mit einiger Sicherheit bestimmen lassen. Ähnlich beim Nahostkonflikt. Nur weil der ständig in sämtlichen Medien auftaucht, ist er weder der längste noch der blutigste seiner Art.

Grenzgebiet Der Kaschmirkonflikt etwa dauert schon genauso lange. Mit mehr als 44.000 Toten haben die Auseinandersetzungen in dem umstrittenen indisch-pakistanischen Grenzgebiet auch schon rund dreimal so viele Opfer gefordert wie die in Nahost, obwohl es in Kaschmir keine Zionisten gibt. Aber wer kennt sich schon mit solchen Einzelheiten aus?

Natürlich gibt es Experten, die sich seit Jahren fachlich fundiert mit dem jeweiligen Thema beschäftigen. Beim Wetter etwa Jörg Kachelmann, bei Nahost beispielsweise Michael Wolffsohn. Aber denen ist nicht zu trauen. Kachelmann: Ist da nicht einmal etwas gewesen? Wolffsohn: Ist der nicht Jude, sogar Israeli?

Lieber verlässt man sich da auf die Medien. Die haben schließlich auch ihre Fachleute. Der Nahostexperte der örtlichen Zeitung spricht zwar weder Hebräisch noch Arabisch und kennt die Region nur von einer einwöchigen Journalistenreise der Bundeszentrale für politische Bildung.

»Haaretz« Im Thema ist er dennoch drin; er liest online die englische Ausgabe von »Haaretz«. Der Klimaexperte ist eigentlich studierter Germanist; Physik und Chemie hat er in der 10. Klasse abgewählt. Aber er steht seit Jahren auf dem Presseverteiler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und hat sogar schon mal dessen Direktor exklusiv interviewt.

Beide, der Nahost- wie der Klimaexperte, sind gute Schreiber, die wissen, dass komplexe, widersprüchliche Details nur den Lesefluss stören. »Hitzewelle bedroht die Landwirtschaft«, schreibt der eine, auch wenn es nicht die Hitze ist, sondern die Dürre (nein, das ist nicht dasselbe). »Der nächste Gaza-Krieg droht unmittelbar«, titelt der andere, drei Stunden, bevor Hamas und Israel eine Waffenruhe vereinbaren.

Macht nichts, gelesen wird es trotzdem gerne und bei Facebook gepostet, wo es viele Likes erhält. Denn nichts führt man sich lieber zu Gemüt, als das, was man sich ohnehin bereits gedacht hat. Wovon wiederum die Verfasser profitieren. »Einer unserer meistgelesenen Autoren« ist in Redaktionen ein Adelstitel, der vor inhaltlicher Kritik schützt.

Deshalb wird die Berichterstattung munter weitergehen. »Was das Winterwetter über den Klimawandel verrät«. »Der Nahe Osten vor der Explosion«. Demnächst in Ihrer Zeitung.

Andrea Kiewel

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