Sommerakademie

GUS, Nahost und Juden-Gen

Locker, herzlich und konzentriert ging es dieser Tage im Berliner Gemeindezentrum in der Fasanenstraße zu. Es tagte die Sommerakademie des Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerkes (ELES), das seit drei Jahren die jüdische Begabtenförderung in Deutschland vorantreibt. Vorträge, Podiumsgespräche, Gottesdienste und Workshops boten wie schon im Vorjahr reichlich Gelegenheit zum Austausch und zur Vernetzung.

So waren gleich fünf Rabbiner zum Forum »Jude sein – aber wie?« präsent – ein demonstrativer Pluralismus, der bei den Stipendiaten gut ankam. Wenn etwa Rabbiner Jonah Sievers den »heutzutage sehr hohen Grad der Individualisierung« als »Achillesferse des liberalen Judentums« bezeichnete, traf er damit den Nerv der Zuhörer. Einige der jungen Leute hatten Fragen zur künstlichen Befruchtung aus ethischer Sicht oder kritisierten in teils emotionaler Weise den Umgang mit schwulen und lesbischen Paaren in den Gemeinden.

neue konstellation Da nicht wenige der derzeit 135 ELES-Stipendiaten einen osteuropäischen Hintergrund haben, wurde auch das Verhältnis zwischen »alten« und »neuen« Gemeindemitgliedern zum Thema. Es komme nach wie vor darauf an, vermerkte Rabbiner Avichai Apel, GUS-Zuwanderern mit einem vorrangig ethnischen Selbstverständnis auch den Facettenreichtum der jüdischen Religion und Tradition zu vermitteln.

Dass die Begegnung von deutschen und osteuropäischen Juden hierzulande nie konfliktfrei, aber stets auch bereichernd war, stellte die New Yorker Historikern Atina Grossmann in einem Vortrag über jüdische Lebenswege nach 1945 dar. »Es gibt immer weniger Schoa-Zeitzeugen, doch gleichzeitig hat der Zustrom der russischen Juden eine neue Konstellation geschaffen«, so die Professorin. »Ganz sicher wird die Entwicklung hier nun keine Geschichte einer abgeschotteten Minderheit mehr sein.«

Ähnlich wie Grossmann fesselte auch der israelische Deutschlandkorrespondent von Yedioth Ahronoth, Eldad Beck, sein Publikum. Beck sprach zunächst über den »Arabischen Frühling«, wurde von den Stipendiaten aber bald zu aktuellen Entwicklungen in Israel befragt. Skeptisch äußerte sich der Journalist zur möglichen Proklamation eines Palästinenserstaates im September, während nicht wenige der Stipendiaten – und teilweise auch Tutoren – den forcierten Siedlungsbau in der Westbank kritisierten.

natur und kultur Weniger Disput gab es bei dem Bio-Genetiker Dmitrij T. aus Heidelberg, der den Reigen eigener Vorträge und Workshops von ELES-Stipendiaten eröffnete. Umstrittene Äußerungen des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin aufgreifend, referierte der Doktorand in anschaulicher Weise über »das jüdische Gen«. Dmitrij T. machte deutlich, dass Juden tatsächlich keine Gene besitzen, die nicht auch andere Menschengruppen aufweisen.

Unterschiede entstünden ausschließlich durch Häufigkeitsverteilungen, während menschliche Verhaltensmuster kaum über biologische Strukturen erklärbar seien. Gleichwohl hätten Humangenetiker nachgewiesen, dass die meisten jüdischen Bevölkerungsgruppen sich in ihrer genetischen Struktur ähneln.

Dies könne auf eine gemeinsame Ursprungspopulation im Nahen Osten hindeuten. Doch sich nur über die genetischen Ähnlichkeiten als jüdisch zu definieren, davon rät Dmitrij T. entschieden ab, zumal damit Konvertiten komplett herausfallen würden. Apropos Konversionen: Nicht auszuschließen, dass hier schon eines der Stichworte für die ELES-Sommerakademie 2012 gegeben ist.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025