Musik

Großes Konzert: Xavier Naidoo startete Tournee

Sänger Xavier Naidoo steht beim Auftakt seiner Tour »Bei meiner Seele« auf der Bühne in der ausverkauften Lanxess-Arena. Foto: picture alliance/dpa

Der wegen Antisemitismus-Vorfällen viel kritisierte Soul-Star Xavier Naidoo (»Dieser Weg«) hat erstmals seit Jahren wieder ein großes Konzert gespielt. In der voll besetzten Kölner Lanxess-Arena eröffnete der 54-Jährige am Dienstagabend seine Tour unter dem Titel »Bei meiner Seele«. Mehrfach bedankte er sich überschwänglich bei seinen Fans für deren Unterstützung. »Wegen euch bin ich hier!«, rief er ihnen zu. Und bezeichnete sich dann im Scherz als Frührentner. 

Um Naidoo, einst nahezu omnipräsent auf Bühnen, im TV und Radio, war es zuletzt still geworden. Der Popstar war nicht verschwunden – aber doch weit ab des großen Rampenlichts. Über Jahre hatten sich die Kontroversen um ihn gehäuft. Lange Zeit war er mit Aussagen aufgefallen, die ihm Antisemitismus- und Rassismus-Vorwürfe einbrachten.

Naidoo trat mit sogenannten Reichsbürgern auf, verbreitete Theorien der QAnon-Verschwörungsideologie und polarisierte mit Äußerungen zur Corona-Pandemie. 2020 nahm RTL ihn aus der Jury der Casting-Show »Deutschland sucht den Superstar« (DSDS). Geplante Auftritte wurden damals zunehmend zum Politikum, da sich Widerstand gegen seine Konzerte formierte.

Kritiker bemängelten sein »Distanzierungs-Video« als zu unkonkret

Nachdem die Debatten sehr zugenommen hatten, überraschte Naidoo 2022 mit einem rund dreiminütigen Video, in dem er sich entschuldigte und von extremen Positionen distanzierte. Er sei von Verschwörungserzählungen »geblendet« gewesen, erklärte er darin. Er habe sich »Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen geöffnet«, von denen er sich aber lossage. Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus seien nicht mit seinen Werten vereinbar - er verurteile sie. Kritiker bemängelten das Statement als zu unkonkret.

Ob man damit einen Schlussstrich unter seine Vergangenheit setzen kann, ist eine Frage, um die gestritten wird. Kritiker bemängelten das Statement als zu unkonkret. Etwa dreieinhalb Jahre nach dem Video ist er nun aber wieder Teil des Tournee-Geschäfts.

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Das Auftaktkonzert in Köln war nach Angaben der Veranstalter mit 16.000 Tickets komplett ausverkauft. Heute Abend tritt Naidoo an gleicher Stelle noch einmal auf – ebenfalls vor vollem Haus. Die Nachfrage nach Karten war sehr hoch, seine Fans sind ihm offenkundig treu geblieben. Es sind die ersten großen Konzerte seit sechs Jahren.

Geprägt war der mehr als zweistündige Abend von einer Art Best-of seines Kanons - vom frühen Klassiker »Sie sieht mich nicht« über den »Sommermärchen«-Song »Dieser Weg« bis zur gefühlsschweren Trostspender-Ballade »Und wenn ein Lied«, die er einst mit der Gruppe Söhne Mannheims eingesungen hatte. 

Naidoo - optisch gänzlich unverändert mit Sonnenbrille und Schiebermütze - ließ vor allem die Musik sprechen, Reden war nicht die Hauptdisziplin. Naidoo fasste sich ans Herz und faltete die Hände. Wortmeldungen zwischen den Songs gab es nur sehr dosiert - und wenn, waren sie meist eine Mischung aus Dankesrede und Wiedersehensfeier. 

Über die Vergangenheit sprach Naidoo allerhöchstens indirekt

Über die Vergangenheit sprach Naidoo allerhöchstens indirekt - etwa, als er sagte, er habe sich in den vergangenen Jahren sehr um die Familie kümmern dürfen. Als Tausende Fans bei »Wo willst du hin?« mitsangen, sagte er: »Davon habe ich geträumt.« Im Überschwang hängte er die erste geplante Zugabe an seine Show direkt dran, ohne die Bühne zu verlassen.

Wer wollte, konnte womöglich bei der Song-Auswahl etwas hereinlesen - oder nicht. Naidoo sang etwa sein Lied »Hört, Hört«, in dem es heißt »Meine Lieder haben viele gehört - wahrscheinlich habe ich aber vielmehr verstört.« 

Schon die Comeback-Ankündigung im Sommer hatte Kritik ausgelöst. Der Verein Werteinitiative, der sich nach eigenen Angaben für jüdische Belange in der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland einsetzt, forderte eine Absage. 

Die Synagogen-Gemeinde Köln teilte der Deutschen Presse-Agentur wenige Stunden vor dem Auftritt mit: »Gerade in einer Zeit zunehmender antisemitischer Vorfälle ist es problematisch, Herrn Naidoo eine Bühne zu bieten.« Auftritte beeinflussten die öffentliche Wahrnehmung und Antisemitismus dürfe nicht legitimiert werden. »Es geht hierbei nicht um eine Einschränkung von Kunstfreiheit, sondern um das klare Bekenntnis zu einer demokratischen Grundhaltung, die Antisemitismus keinen Platz lässt.«

Veranstalter Marek Lieberberg, bei dem sich Naidoo öffentlich bedankte, hatte hingegen betont, dass sich der Sänger »zweifelsfrei« distanziert habe. »Sein eindeutiges öffentliches Bekenntnis und die begründete Entschuldigung belegen die Ernsthaftigkeit seiner Selbstkritik. Er hat sich an seine Aussagen gehalten und keinerlei Anlass für Zweifel gegeben«, sagte Lieberberg der dpa. Die Konzerte würden Naidoos Songkanon präsentieren und nichts beinhalten, »was zu derartiger Kritik Anlass geben könnte.« 

Am Landgericht Mannheim sind zwei Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Naidoo anhängig

Wie komplex die Lage aber bleibt, war am Abend zu erleben. Komiker Oliver Pocher postete ein Video von Naidoos Auftritt auf Instagram und schrieb dazu: »Sie haben versucht zu canceln, aber Talent und Können setzt sich immer durch!«. User kommentierte das wiederum mit Sätzen wie »Und die ganzen irren Aussagen sind plötzlich vergessen?«

Am Landgericht Mannheim sind weiterhin zwei Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Naidoo anhängig. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft geht es dabei um Inhalte mit den Holocaust leugnendem und antisemitischem Charakter, die über einen Telegram-Kanal verbreitet wurden. Ob ein Hauptverfahren eröffnet wird, ist noch offen. Naidoos Anwälte bestreiten die Vorwürfe und beteuern die Unschuld des Musikers.

Nach den Auftritten in Köln soll die Tour im Januar weitergehen und Naidoo unter anderem nach München, Hamburg, Berlin, Stuttgart und seine Heimatstadt Mannheim führen. Wie Naidoo darauf blickt, sagte er am Ende seines Auftritts in Köln: »Dann bin ich wieder richtig drin.« dpa/ja

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