Heidelberg

»Grobe Ungenauigkeiten«

Johannes Heil Foto: Marco Limberg

Herr Heil, die Tagung »Ersessene Kunst – Der Fall Gurlitt« an der Hochschule für Jüdische Studien (HfJS) sollte der »Erhellung historischer, rechtlicher und ethischer Dimensionen des Falls Gurlitt« dienen. Inwiefern ist das gelungen?
Die Tagung hat ein klareres Bild hervorgebracht. Das ergab sich aus dem Zusammenwirken von Provenienzforschern, Kunsthistorikern, Juristen und Journalisten. Die Forderung nach Transparenz und Rückerstattung an die Eigentümer kollidiert mit Persönlichkeitsrechten und Verjährungsfristen. Da war der Blick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen in Deutschland, Österreich und USA wichtig.

Was waren die Kernthesen der Vortragenden?
Das lässt sich bei einem Dutzend Beiträgen schwer in wenigen Worten sagen. Deshalb wollen wir die Vorträge schon in wenigen Wochen publizieren. Beispielhaft hinweisen will ich auf die Beiträge, die sich mit der zentralen Figur der Affäre, Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand, beschäftigen. Die Kölner Provenienzforscherin Katja Terlau legte dar, wie sich aus Hildebrand Gurlitts nun aufgefundenen Geschäftsbüchern das Ausmaß seiner Tätigkeit für Museen und Sammler genau bestimmen lässt, vor allem seine Tätigkeit für Hitlers Linzer Museumsprojekt. Dazu hatte man sich bislang auf den recht ungenauen Bericht der Alliierten von 1945 bezogen. Annette Weber (HfJS) zeigte, wie das Netzwerk der Akteure in Handel und Kulturverwaltung auch nach 1945 die Szene bestimmte. Man kannte sich, und Ausstellungen wie die Chagall-Retrospektive von 1955 entsprachen nicht nur dem kulturpolitischen Vorgaben der Bundesrepublik, sie rückten auch die Akteure in ein günstiges Licht.

Was wurde zu den medialen Aspekten des Falles Gurlitt gesagt?
Da gab es grobe Ungenauigkeiten. Von Milliardenwerten und 1400 »Bildern« wurde gesprochen, tatsächlich ist der Bestand komplexer und der Wert nicht einfach zu benennen. Kritisiert wurde auch die Darstellung der Person Cornelius Gurlitt. Dass man ihn als »Messie« dargestellt hat, trägt zur Klärung nichts bei.

Worüber wurde noch diskutiert?
Es gab etwa kritische Anfragen zum deutschen Verjährungsrecht, gerade im Abgleich mit dem österreichischen Rückgabegesetz. Seine Vorgaben haben öffentlichen Druck erzeugt, dem sich selbst Auktionäre und private Besitzer nicht entziehen können. Einig war man sich, dass gesetzgeberischer Aktionismus wenig bewirken wird. Auch wurde auf die Unverhältnismäßigkeit hingewiesen: Bei einem Privatmann wird bei einem Anfangsverdacht beschlagnahmt, dem Museum wird eine Anfrage geschickt. Wenigstens müsste die Limbach-Kommission ein robusteres Mandat bekommen.

Was ist von der »Taskforce« der Bundesregierung zum Fall Gurlitt zu erwarten, deren Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel in Heidelberg gesprochen hat?
Berggreen-Merkel hat klargemacht, dass rasche, aber keine kurzfristigen Ergebnisse zu erwarten sind. Was veröffentlicht wird, beruht auf gesicherten Grundlagen, zumal nach den vielen Spekulationen, die im Umlauf waren. Der Bestand ist mittlerweile gründlich klassifiziert. Was unter den gut 300 Gemälden als verfemte Kunst und was als Raubkunst zu gelten hat, wird vordringlich bearbeitet.

Worauf sollte in der Raubkunstdebatte künftig geachtet werden?
Der spektakuläre Fall Gurlitt sollte nicht die Gewichte verschieben. Wenn sich jetzt eine 13-köpfige Taskforce um Gurlitt kümmert, heißt das ja nicht, dass andere Fälle einfacher würden. Es wäre nichts gewonnen, wenn die Kapazitäten nun einfach nur umverteilt werden.

Mit dem Rektor der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg sprach Ingo Way.

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte, wie eine Arte-Doku zeigt. Bis er eine entscheidende Rolle bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 möglicherweise nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  12.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  10.07.2025

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025

Essay

Das Jewish-Hollywood-Paradox

Viele Stars mit jüdischen Wurzeln fühlen sich unter Druck: Sie distanzieren sich nicht nur von Israel und seiner Regierung, sondern auch von ihrem Judentum. Wie konnte es so weit kommen?

von Jana Talke  10.07.2025